Köln.. Zwei Kölner Kliniken geraten unter Erklärungsdruck, weil bekannt wird, dass sie einer vergewaltigten Frau Hilfe verweigerten. Die Kliniken entschuldigen sich mit einem „Missverständnis“ - und mit dem Abtreibungsverbot der Kirche.

Benommen muss die junge Frau gewesen sein, schwer verletzt an Körper und Seele. Doch Hilfe fand sie zunächst nicht: Gleich zwei katholische Krankenhäuser in Kölns Norden wiesen die 25-Jährige im Dezember ab – Opfer von Vergewaltigungen könne man nicht behandeln.

Vielleicht ist es Zufall, dass die Verantwortlichen am Tag, an dem die Geschichte bekannt wird, mit gefalteten Händen vor der Presse sitzen, allesamt: Chefärzte und Geschäftsführer der Hospitalvereinigung St. Marien, die zur „Stiftung der Cellitinnen zur heiligen Maria“ gehören – mit zehn Krankenhäusern in Köln und Wuppertal. Sie entschuldigen sich, „dass der Patientin nicht geholfen wurde“. Sie bedauern „die Aussage“ der diensthabenden Ärzte: „Sie hätte so nicht getroffen werden dürfen.“ Es sei doch so, dass „alle Menschen in Not sich an uns wenden dürfen“. Und: „Diesen Frauen zu helfen, ist unsere christliche Pflicht.“

Die Pille danach? - "Das ist unsere Grenze"

Nur ist es zugleich katholisches Verbot, die „Pille danach“ zu verabreichen. Das Medikament, ein Notfall-Kontrazeptivum, kann kurz nach dem Geschlechtsverkehr eine Schwangerschaft im Keim ersticken. Eine Abtreibung, nach dem Verständnis der Kirche: „Das ist unsere Grenze“, erklärt Christoph Leiden als Sprecher der Celitinnen, „das können wir nicht.“ Ansonsten sei eine „vollumfängliche“ medizinische und psychologische Versorgung von Frauen nach Sexualdelikten selbstverständlich. Wie auch die Zusammenarbeit mit der Polizei bei der „ASS“, der Anonymen Spurensicherung, bei der etwa Spermien entnommen und eingefroren werden, um belastbares Beweismaterial zu haben.

Darum ging es am 15. Dezember, einem Samstag: Bei einer Party soll das Opfer betäubt worden sein und anschließend vergewaltigt. Eine Notärztin übernahm die Erstversorgung, verschrieb auch die „Pille danach“. Das will sie bei ihren Anrufen in den Kliniken St. Vinzenz und Heilig Geist auch gesagt haben. Dennoch lehnten beide Assistenzärztinnen im Nachtdienst die Behandlung ab: Mit den gynäkologischen Untersuchungen sei auch ein Beratungsgespräch über eine mögliche Schwangerschaft und ihren Abbruch verbunden. Das dürfe man nicht. Hilfe leistete erst das Evangelische Krankenhaus.

Wer sich nicht an die Regeln hält, dem droht die Kündigung

Zwei Ärzte, die mit derselben Begründung dasselbe ablehnen? „Zufall“, sagt der Klinikträger. Gynäkologin Wencke Ruhwedel, Chefärztin in St. Vinzenz, versichert, man habe betroffenen Frauen stets geholfen. Dass die jungen Kolleginnen das plötzlich stoppten, begründet die Stiftung mit einer „Stellungnahme“ aus der neu eingerichteten „Stabsstelle Ethik“: Dort sei die Haltung der Kliniken im Umgang mit Vergewaltigungsopfern erst im November schriftlich niedergelegt worden. Keine Leitlinie ist das, auch keine Dienstanweisung. Aber ein Papier, das schlecht kommuniziert worden sei: „Das hat vielleicht zu Verunsicherung geführt.“

Zu großer, offenbar: Eine der Frauenärztinnen soll sich am Telefon damit entschuldigt haben, eine Kollegin sei kürzlich entlassen worden, nachdem sie einer betroffenen Frau geholfen habe. Von Kündigungen will ihr Klinikchef André Meiser indes nichts wissen. Wobei sich seine Mitarbeiter an das Kirchenrecht natürlich halten müssen. Das Bistum Köln erklärte am Donnerstag, die „Pille danach“ sei in den eigenen Kliniken im Bistums-Gebiet „grundsätzlich ausgeschlossen“; sie widerspreche „den ethischen und moraltheologischen Grundsätzen der Kirche“.

Klinikverbund hat Medikamente gar nicht erst vorrätig

Beim Verbund Katholischer Kliniken Düsseldorf hat man Tabletten zur nachträglichen Schwangerschaftverhütung gar nicht erst vorrätig. Und auch in den 16 katholischen Krankhäusern im Ruhrbistum dürfte die „Notfall-Kontrazeption“ als Tabu verstanden verden, glaubt Sprecher Ulrich Lota: „Die katholische Kirche lehnt Abtreibung ab.“ Wobei einzelne Häuser davon offenbar abweichen: Am St. Elisabeth Krankenhaus in Dorsten etwa werde laut Sprecherin Angelika Rütten „im Einzelfall entschieden“. Man gebe sich Mühe, „die Gründe genau zu prüfen“.

Ob die „Pille danach“ überhaupt ein Abtreibungsmittel ist, darüber streiten Experten. Und die Frau in Köln hatte um das Medikament schließlich gar nicht gebeten.