Essen. . Wenn Miete und Versicherungen abgehen, bleiben Else Blum aus Essen-Borbeck nur noch dreihundert Euro zum Leben.
Egal, um welchen Supermarkt es geht – Else Blum kennt die Preise. Auf ihrem Sofa liegt Prospekt über Prospekt. Kostet die Butter statt 1,49 Euro nur 99 Cent, geht sie los. „Ich muss rechnen. Ich bin ja schließlich Witwe.“
Else Blum (77) hat ein knappes Budget. Wenn die Miete abgeht und das, was sein muss, hat sie rund dreihundert Euro zum Leben. „Mein Mann war Heizer. Und was den Witwen bleibt, ist ja nicht viel.“
Sie lebt in einer Seniorenwohnung in Essen-Borbeck. „Gottseidank brauch’ ich die Heizung erst nachmittags anzumachen, die Sonne knallt hier schön ‘rein“, sagt sie. Ihre Witwenrente beträgt etwa 600 Euro, dazu kommt ihre eigene Rente von 138 Euro, dazu 97 Euro aus der staatlichen Grundsicherung, die ihre Einkünfte auf Sozialhilfeniveau anhebt. Die Miete für die kleine Wohnung macht etwa vierhundert Euro warm, dann 31 Euro im Monat für Strom, 30 Euro für Telefon, 30 Euro für Versicherungen. Doch sie sagt: „Verhungern muss hier keiner.“
Ärger über Politiker, die Geld rauswerfen
Nicht alle nehmen ihr Los so gelassen hin, wenn der Lebensstandard nach dem Tod des Ehemanns an die neue Lage angepasst werden muss. 55 Prozent, in Altfällen sechzig Prozent, bleiben von der Rente des Mannes übrig.
Das Leben aber geht so weiter wie gewohnt: Miete, Versicherungen. Und umziehen kommt oft nicht in Frage – wegen der Gewohnheit, und weil es viel zu teuer ist. Für Frauen, „die keine gute eigene Rente bekommen, reicht das hinten und vorne nicht“, so Else Blum, die sich auskennt. Sie leitet einen Awo-Club. „Da hör’ ich doch immer, wie sich die Frauen zur Decke strecken müssen.“
Frau Blum hat längst keine Rosinen mehr im Kopf, was das Leben angeht. Und trotzdem ärgert sie sich wie ihre Awo-Freundinnen über Geld, das ‘rausgeworfen wird. Von den Politikern, nicht von den Frauen, die hätten gelernt zu sparen. Die machen aus altem Toast (49 Cent) noch Frikadellen.
Es ist ein Leben, das sich tagein, tagaus um Euro und Cent dreht. Und um die Angst, „dass bloß mal nicht die Waschmaschine kaputt geht“. Sie sieht traurig aus, wenn sie das sagt. Auch die Stehlampe ist ein Problem. Sie tut es nicht mehr. Eine neue? Mal einfach fünfzig Euro hinblättern? „Das geht ja nicht.“ Also hat sie eine kleine Lampe auf den Tisch gestellt, aber das Licht blendet sie.
Jeder Tag ist ein Tag, der ihren Überlebensgeist herausfordert: Prospekte angucken, ankreuzen, und los. „Neulich hatten sie Grünkohl im Angebot. Sechshundert Gramm ein Euro. Da hab’ ich gleich zwei Pakete von mitgenommen.“ Oder die Mettwürstchen. „Zehn Stück sechs Euro.“
Für ein bisschen Luxusreicht das Geld nicht aus
Ihr schmecken die billigen besser als die teuren, sagt sie. Aber das heißt ja nicht, dass sie nicht auch noch Träume hätte. „Mal ein paar Tage in den Urlaub.“ Kinder unterstützen sie nicht. „Geht ja gar nicht. Meine Tochter ist arbeitslos. Ewig war sie bei Karstadt. Und dann kam die Kündigung. “ Sie lacht ein wenig bitter. „Wie sehr man sparen muss, darüber macht sich ja heutzutage draußen gar keiner einen Kopf.“
Draußen, wo ein Becher Milchkaffee schon mal 2,50 Euro kostet. Lächerlich, sagt sie. Kaffeetrinken draußen – macht sie nicht. Sie kauft sich nichts, was Luxus ist. Kein Parfüm, kein Halstuch und auch keine Bücher. Nur der Friseur, „der muss dran sitzen“. Aber statt teurer Dauerwelle trägt sie einen Kurzhaarschnitt, ungefärbt. „Ich zahl’ jetzt zehn Euro.“ Sie fährt sich über den Kopf. „Ist praktisch“, aber ein bisschen, so scheint es, trauert sie der Dauerwelle nach.