Hamm. . In der Nacht zu Samstag ist der Hindu-Tempel in Hamm ausgeraubt worden. Maskierte und bewaffnete Täter hatten zuvor die Familie des Hindu-Priesters Arumugam Paskaran in ihrem Haus überfallen und die Familie bedroht. So zwangen sie den Priester, ihnen den Tempel aufzuschließen.

Am Wochenende steht Arumugam Paskaran schon wieder im Tempel. Fünf Gottesdienste und ein Hochzeitsfall. Einen einzigen musste er ausfallen lassen am frühen Samstag, denn da war noch die Polizei im Tempel; und den nächsten hat er etwas umgestaltet, um Frevel und Entweihung durch die Räuber von dem Haus zu nehmen. Paskaran hat geschwollene Augen von Pfefferspray, aber der Priester muss tun, was ein Priester tun muss: wie vorgesehen, fünf Gottesdienste und ein Hochzeitsfall. Gerade hier, im Tempel der Göttin Sri Kamadchi Ampal.

Sie ist die Göttin der Tatkraft. Und er hat den Tempel gebaut.

„Es geht alles normal weiter“, sagt Paskaran. Obwohl der 49-Jährige und seine Familie in der Nacht auf Samstag Opfer eines unverstellt brutalen Überfalls wurden. Kurz nach 23 Uhr erwachen sie vom Lärm, da dringen schon Maskenmänner in ihr Haus ein, sie haben mit einer Axt die Glasfüllung der Haustür eingeschlagen. Sie sind bewaffnet mit Hämmern und Messern, schüchtern die Familie ein: den Priester und seine Frau, die vier Kinder, seinen Bruder und zwei Besucher. Die Täter, fünf Männer wohl, verwüsten die Wohnung auf der Suche nach Werten.

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„Das sah aus wie zerstörte Welt“, sagt am Sonntag Ulrich Kroker aus dem Tempelbeirat: „Was nicht niet- und nagelfest war, war angeschlagen, zerschlagen, rausgezogen, hingeworfen.“ Drei Menschen sind leicht verletzt: Paskaran durch den Pfefferspray, ein Sohn wird gegen eine Wand gestoßen, und ein Bruder schneidet sich an Scherben, als einer der Täter mit der Axt wütet.

Größter Tempel in Festland-Europa

Dann zwingen sie den Priester, den Tempel auf der anderen Straßenseite aufzuschließen. Der Tempel der Sri Kamadchi Ampal hier in Hamm-Uentrop, nahe der Auffahrt zur Autobahn 2, ist nicht irgendeiner: Er ist der größte hinduistische Tempel in Festlandeuropa und der zweitgrößte, bezieht man England mit ein. Nach der großen tamilischen Hochzeit von Freitag sind die Opferstöcke prall gefüllt, die Täter plündern sie, rauben Ritualgegenstände von unbekanntem Wert und die goldene Kette der Göttin. Dann lassen sie die Familie gefesselt zurück. Nach etwa 20 Minuten kann die Frau des Priesters sich befreien und ruft die Polizei.

Die geht von einem Raubüberfall aus: „Hinweise auf einen politischen, religiösen oder rassistischen Hintergrund der Tat“ gebe es nicht. Die Höhe des Schadens schätzt sie auf „hoch fünf- bis sechsstellig“, wobei die Zerstörung wohl weit mehr ausmacht als die Beute. „Die Diebe werden sehen, es ist nicht alles Gold, was glänzt“, sagt Kroker, der Mann vom Beirat. Gleichwohl werde man sich nun Gedanken machen, wie Wohnhaus und Tempel besser zu schützen seien.

Fest und Prozession im Mai nicht gefährdet

Der Tamile Arumugam Paskaran, ein kleiner Mann mit leiser Stimme und großer Überzeugungskraft, war 1985 als Bürgerkriegsflüchtling von Sri Lanka nach Europa gekommen. Er wollte eigentlich nach Paris, stieg aber in Hamm aus dem Zug: Manche sagen, es war der Hunger, andere sagen, es war die Berufung. Jedenfalls war Paskarans erster Tempel in der eigenen Wohnung. Und der zweite in einer früheren Wäscherei, eine typische Neunutzung: Fast alle 45 tamilisch-hinduistischen Tempel in Deutschland sind Provisorien.

Um die Jahrhundertwende dann entstand durch Einsatz, Schweiß und Spenden der heutige Tempel: ein Meisterwerk aus der Hand indischer Facharbeiter – allein auf dem 17 Meter hohen Turm tummeln sich 180 Gottheiten in Stuck. Tempelfest und Prozession ziehen jedes Jahr Zehntausende Tamilen aus ganz Mitteleuropa an, es gibt nichts Vergleichbares auf dem Festland. Der Termin der nächsten Prozession steht bereits fest: 26. Mai 2013. Er wird auch nicht in Frage gestellt durch den Überfall. Paskaran, längst deutscher Staatsbürger, sagt nochmal: „Es geht alles normal weiter.“ Sri Kamadchi Ampal wird das gerne sehen, sie, die „Göttin mit den liebevollen Augen“.