Ruhrgebiet.. Sie sehen klein und niedlich aus, machen vielen Leuten aber großen Ärger. Der Waschbär wird zum Problembär in NRW, denn er plündert Mülleimer und gefährdet andere Tiere. Jagdverband und Naturschützer streiten sich, ob eine Bejagung des Bären nötig ist.
Wir wollen die Familie hier lieber Meier nennen, denn sie hat es nicht immer leicht gehabt, seit sie sich abfällig äußerte über die Waschbären. Über den Kot, den sie hinterließen, über den Garten, den Meiers entnervt aufgaben, und über „flaschenweise Reinigungsmittel“, welches sie versprühten, um die Tiere im Vertrauen auf deren dünnhäutigen Geruchssinn entschlossen zu vertreiben. Heute möchte Frau, naja, Meier sich nicht mehr äußern: „Man macht sich nicht beliebter bei Nachbarn.“
Das Tier entzweit offenbar. Im Bad Laaspher Stadtteil Wallachei, wo sich Fuchs und Waschbär „Gute Nacht“ sagen, legen die Einen Wackersteine auf ihre Mülltonnen, damit das ewig hungrige Raubtier sie nicht öffnet; und die Anderen gehen Lebensmittel kaufen, damit das putzige Bärchen bloß nicht hungert. Im Sauerland gilt er als Plage, im Gelsenkirchener Zoo geht er als Attraktion durch. Und in der NRW-Politik streiten jetzt Jagdverband und Naturschützer längs der vorhersehbaren Fronten über die Bejagung von Waschbären.
In NRW darf der Waschbär gejagt werden
„Ja“ sagt Andreas Schneider vom „Landesjagdverband“ und verweist darauf, dass Kröten und „im Bestand gefährdete Bodenbrüter geschützt werden müssen“. „Nein“ sagt Holger Sticht vom „Bund für Umwelt und Naturschutz“, weil der Waschbär „weder Krankheiten überträgt noch andere Tierarten ausrottet“. Zur Zeit darf er gejagt werden in NRW, 8000 wurden im letzten Jagdjahr erlegt. Und 500 überfahren.
Nun ist Bad Laasphe weit, man kann von da nach Hessen Steine werfen. Aber der Waschbär ist nah: „Er umzingelt das Ruhrgebiet zunehmend von Osten her“, sagt Jörg Wipf, der Betriebsleiter von „Ruhr Grün“ mit über 16 000 Hektar Freifläche im Ruhrgebiet. Gerade am Ballungsrand mit viel Abfall und Müll könne er „zu einer gewaltigen Dichte anwachsen“, so Wipf. Ja, es zieht den Waschbären sogar noch weiter, weiter hinein in die Städte; denn da schießt keiner auf ihn, und das leckerste Essen liegt sozusagen auf der Straße – unzureichend geschützt durch Mülltonnen, Abfalleimer oder gelbe Säcke. Mmmh! Man sagt ja auch: „Waschbärbauch.“
Der Waschbär kam aus Nordamerika nach Deutschland
Eigentlich kam das Tier aus Nordamerika. 1934 wurden am Edersee in Hessen gleich zwei Waschbären mit Migrationshintergrund freigelassen, um die Natur zu bereichern, andere entkamen später aus Pelzzuchtfarmen in Hessen, Brandenburg und der Eifel. Die Folge: Vor allem in Hessen, im Sauerland und in Ostwestfalen sind Waschbären heute heimisch – und ungewöhnlich unbeliebt.
Denn sie dringen in Gärten und auf Terrassen vor, sie besiedeln Lauben, leer stehende Häuser und Dachböden, als Mietnomaden, versteht sich. Aus dem romantischen Paar vom Edersee und den heroischen Pelzfarm-Flüchtlingen wurden heute: 500 000 Waschbären in Deutschland. Es ist der Siegeszug eines Problembären.
In Bottrop, Essen, Hattingen und Unna ist der Waschbär auf dem Vormarsch
„Wenn man einen sieht, sind ganz viele da“, sagt Jörg Wipf, der Mann von „Ruhr Grün“. Tatsächlich gibt es inzwischen nicht nur zwei stabile Vorkommen in Bottrop und in Essen, sondern auch recht viele Sichtungen in Randlagen. Unna. Lünen. Hagen. Schwelm. „Sie sind mächtig auf dem Vormarsch", sagt ein Förster.
In Hattingen wurde eine Frau geweckt vom Lärm und stieß vor der Haustür auf einen Waschbären, der gerade das Katzenfutter fraß (und, als sie mit dem Fotoapparat zurückkehrte, sich an einem Deko-Maiskolben versuchte). In Langenberg wunderte sich eine Familie über den enormen Verbrauch von Vogelfutter: Bis sie entdeckte, dass ein Waschbär das Vogelhäuschen plünderte. Und in Witten fielen zwei Waschbären über Taubenschläge her. Die beiden kamen freilich nicht aus dem Wald. Sondern vom Grundstück nebenan. Eine Nachbarin hielt sie dort. Als und für zahm. Wir wollen die Frau hier lieber Meier nennen.