Das Essener Elektronik-Unternehmen Medion kündigte Mitarbeiter ihres Call-Centers, weil sie ihre Telefonate nicht überwachen lassen wollten. Gewerkschaft kritisiert Eingriff in Persönlichkeitsrechte

Essen. Zu viel hatte man ihnen in den letzten Jahren zugemutet, als dass sie noch bereit gewesen wären, dies zu schlucken. 20 Mitarbeiter eines Callcenters des Essener Elektronik-Herstellers Medion erhielten die Kündigung, weil sie sich der Überwachung durch ihren Arbeitgeber widersetzten. Ihre Telefongespräche mit Kunden sollten abgehört und auch mitgeschnitten werden - zur Qualitätssicherung, auf Wunsch des Auftraggebers Aldi, wie es hieß.

Die Versammlung, auf der alles begann, fand bereits im Februar statt, und es gibt exakt zwei Versionen davon, was sich in diesem Restaurant im Essener Vorort Steele abgespielt haben soll. Die eine, die aus Arbeitnehmersicht, schildert einen Termin mit der Geschäftsführung und dem Betriebsrat, auf der den rund 150 Mitarbeitern mitgeteilt wurde, sie müssten künftig akzeptieren, dass ihre Telefonate, ihre Mails aufgezeichnet würden, dass sie auch sogenannte "Mystery Calls", also fingierte Kundenanrufe bekämen. Es ginge um die Wettbewerbsfähigkeit des Konzerns.

"Der Betriebsrat sagte, die Geschäftsführung habe ihm erklärt, Aldi wünsche es so. Deshalb habe der Betriebsrat zugestimmt, um die Arbeitsplätze zu sichern", sagt Michael Baumeister*, ein langjähriger Mitarbeiter des zu Medion gehörenden Callcenters AMS. Für Baumeister eine nicht mehr akzeptable Arbeitsbedingung. Er und 19 seiner Kollegen weigerten sich, die Betriebsvereinbarung zu unterschreiben. Baumeister: "Wir glauben einfach nicht, dass man sich mit Stichproben begnügen wird. Schließlich ist niemand da, der die Überwacher überwacht!"

Die zweite Version von der Infoveranstaltung im Februar ist die der Geschäftsführung und unterscheidet sich von der aus Arbeitnehmersicht vor allem in einem Punkt. Nicht der Discounter Aldi, für den Medion Computer und andere elektronische Geräte herstelle, habe die Abhörmaßnahmen gewünscht, sie seien eine Eigeninitiative der Geschäftsführung von Medion. Kira Max, Personalchefin bei Medion: "Ziel ist es, hohe Qualitätsstandards im Servicebereich sicherzustellen. Wir wollen uns mit anderen Call-Centern messen können." Die Kontrollen beschränkten sich auf maximal zehn sogenannte Call-Monitorings pro Mitarbeiter, 20 Letter-Monitorings und neun Mysterie-Kundenkontakte pro Quartal, lässt die Medion-Geschäftsführung über eine Kommunikationsagentur übermitteln.

"Ich habe nichts dagegen, Mitarbeiter über Seminare und andere Maßnahmen zu qualifizieren. Aber dies ist ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Angestellten", sagt Vera Winnemund von der Gewerkschaft Verdi. Den Mitarbeitern seien als Konsequenz Gespräche, Abmahnungen und sogar Kündigungen angekündigt worden, wenn ihr "Verhalten nicht so sei wie Medion es haben möchte".

Verdi übernahm auch die juristische Vertretung jener gekündigten Mitarbeiter, die nun vor dem Arbeitsgericht in Essen auf Wiedereinstellung klagen. Winnemund: "Es ist unglaublich, wie das Unternehmen mit Menschen umgeht. Trotz allem Wettbewerbsdruck muss man doch menschlich bleiben!" Die meisten der 150 Callcenter-Mitarbeiter hatten den geänderten Arbeitsvertrag unterschrieben, weil sie Angst hatten, ihre oft befristeten Jobs zu verlieren.

1200 bis 1300 Euro brutto verdienen sie im Schnitt. Winnemund: "Das ist eine bunte Mischung von Menschen, die in Callcentern arbeitet. Ehemalige Facharbeiter, Studenten, Hausfrauen. Eine Branche, in der sich immer etwas findet, ehe man Hartz IV in Anspruch nehmen muss."

Michael Baumeister ist bereits sei Jahren bei Medion beschäftigt. Er und seine Kollegen beraten telefonisch und per Mail Kunden, die Schwierigkeiten mit ihrem Medion-Computer haben, liefern Ferndiagnosen. "Seit Jahren erhalten wir denselben Lohn, gleichzeitig wuchsen die Anforderungen an unser technisches Wissen. Und ständig wurde Druck ausgeübt, Vertragsänderungen mit ungünstigeren Arbeitsbedingungen zu akzeptieren."

Baumeister und seine Kollegen fühlen sich "ganz offensichtlich belogen". Einer der Betriebsräte überlege nun gar, seine Zustimmung zur Betriebsvereinbarung zurückzuziehen, da diese wohl doch nicht auf Wunsch Aldis entstanden sei. Baumeister: "Die Stimmung im Callcenter ist mies. Jeder macht nur noch so viel er muss!"

* Name geändert