Recklinghausen.. Der Wanderbuch-Autor Uli Auffermann rät Urlaubern, vor dem Aufstieg in die Berge an den „Landschaftsbauwerken“ des Ruhrgebiets zu trainieren. Für Flachland-Tiroler, die für die Ferien in den Bergen besser mal trainieren, um Muskelkater, Frust und Blasen zu vermeiden.
Der Aufstieg war nicht schwierig, sanft ging es bergan zwischen blauen Kornblumen, rosa Klee und wogendem Wiesenschaumkraut, und oben: „Ein echtes Gipfelgefühl mit traumhafter Aussicht.“ Sagt der bekannte Bochumer Wandersmann Uli Auffermann und blickt ins Grüne – auf Förderturm, Kraftwerk und Fußballstadion. Im dicht belaubten Tal treffen sich Herten, Herne, Recklinghausen, und der Berg in ihrer Mitte ist kein echter, sondern ein „Landschaftsbauwerk“: eine Abraumhalde. Trotzdem ruft dieser Berg: Üben, üben, üben! Zur Vorbereitung auf den Wanderurlaub.
Warum auch in die Ferne schweifen, wenn die Gute liegt so nah? Diese Halde, wie es sie so viele gibt im Ruhrgebiet, aufgereiht im Norden des Reviers, mit einem Höhenunterschied von 100 Metern, mit flachen und steilen Wegen, ausgebauten Pfaden und Treppenstufen – steht da, als wäre sie gemacht für Wandervögel, die das Fliegen erst noch lernen müssen. Für Flachland-Tiroler, die für die Ferien in den Bergen besser mal trainieren, um Muskelkater, Frust und Blasen zu vermeiden. Hier regelmäßig rauf und runter: „So kann man sich gezielt auf den Wanderurlaub vorbereiten, Überforderung verhindern“, sagt Uli Auffermann.
Damals verboten: Bochumer Junge kletterte am Abraum-Hügel
Er hat das ja selbst so gemacht in schon eine Weile vergangenen Kindertagen, an einer Bergehalde in Bochum, die es längst nicht mehr gibt, wo es nie grün war und das Klettern selbstverständlich verboten. Hier kraxelte der kleine Uli, übte Auf- und Abstieg und kann deshalb Jahrzehnte später in der parkähnlichen Anlage der Halde Hoheward mit ihrem Heimat-Ausblick glaubhaft solche Sachen sagen: „Das Gefühl oben am Eiger ist nicht bewegender als das hier.“
Also lernen an diesem Tag Eva und Carsten Dietz das (Berg- und Tal-)Laufen mitten im Revier; es regnet aus Kübeln, aber das ist in den echten Bergen auch nicht besser: „Da schneit’s“, weiß Auffermann. Der deshalb erstmal erklärt, was man anziehen muss. Feste, gute Schuhe, klar, darüber Zwiebelprinzip, Schweiß-Ableitendes in Schichten, Überhitzen ist schlecht. Die Regenjacke bleibt deshalb im Rucksack, Auffermann trägt Schirm. Schirm? „Das finden viele uncool“, aber so lange der Wanderer die Hände nicht für Wichtigeres braucht, helfe der windfeste Knirps gegen das Schwitzen unterm dichten Goretex.
Grau sickert Regenwasser
Nur werden Dietz’ ihre Hände bald brauchen, dann wandert der Schirm zu Rettungsdecke, Erste-Hilfe-Paket, Wasserflasche und Sonnenschutz (!) auf den Rücken. Das lehrt: Das Gleichgewicht mit Rucksack ist ein anderes, am Berg zumal. Auch das übt sich prima am Halden-Hang – wie sich das Gepäck anfühlt, ob die Schuhe drücken, wie die Waden das Wandern finden. Und was der Höhenunterschied mit dem Kreislauf macht. Sicher ist Hoheward kein Zweitausender, aber wer zehnmal rauf und runter marschiert, hat die Hälfte an Höhe auch in Herz und Knochen.
Schließlich ist auch die Beschaffenheit des Bodens in diesen Tagen – was soll man sagen? – authentisch. Grau sickert das Regenwasser durch den Morast, hat die Steine von unter Tage hier und da blank gewaschen; wo der Landschaftsverband das Laufen an sich auch nicht vorgesehen hat, haben sich Schlinderbahnen in den Berg gegraben. „Kleine Schritte“, mahnt der Experte, von den Hacken her soll der Wanderer abrollen und sich kleinmachen, so sieht er aus wie ein gebückter Troll. Schräglage nämlich ist gefährlich, wer sich nach hinten neigt, liegt schnell auf dem Hintern. Im günstigen Fall.
Wandern soll Genuss sein
Stöcke senken die Steigung, jedenfalls fühlt sich das so an, wenn man’s kann. „Im Gebirge ein Muss“, sagt Auffermann, der übers Bergwandern Bücher geschrieben hat, und eine echte Erleichterung: Bei einer Tagestour im Gebirge ersparen die Gehhilfen den Gelenken bis zu 250 Tonnen Gewicht, in der Summe. Nur muss man sie zu nutzen wissen, richtig aufsetzen, den Körper verlagern, „wer baselt, ist weg“, warnt Uli Auffermann, der sie ja immer wieder sieht: Leute, „die die Stöcke gefährlich zwischen den Beinen herziehen“. Und die Überforderten, die in festgelegter Urlaubszeit festgelegte Touren schaffen müssen. „Wandern soll Genuss sein. Alles, was extrem klingt, kann schon falsch sein.“
Die Halde ist jedenfalls nicht extrem, sie hat nicht einmal ein Gipfelkreuz, und die Sonnenuhr steht im Regen. Der Wanderer aber riecht die Bergwiese, spürt seine Beine und blickt stolz – auf Zuhause.