Hagen/Waltrop/Herne. . Und plötzlich standen sie im Vorgarten: Facebook-Partys laufen immer häufiger aus dem Ruder. Die Hauptattraktion ist die Masse selbst - so wie nun in Waltrop und Wesel. Für Polizei und Ordnungsamt sind die Partys schwierig: Sie müssen einen Verantwortlichen finden, der die Zeche bezahlt.
Kampfschauplatz Hagen: Aus dem Mob tönt „Pflastersteine auf die Bullenschweine“. Im Volkspark fliegen Flaschen, Vandalen stürmen die Konzertmuschel. Sitzblockade vor dem Einkaufszentrum, Böller explodieren. Eine „Riesenparty im Hausflur bis auf die Straße“ hatte der 18-jährige Timo K. über Facebook versprochen. Und Hunderte sind Anfang Juli nach Hagen gekommen, um zu feiern.
Das Problem ist nur: Die Vorstellungen, was eine gelungene Feier ausmacht, gehen weit auseinander. (Partyregel Nr. 1)
Facebook-Partys sind an diesem Wochenende auch in Waltrop und Wesel aus dem Ruder gelaufen. In Waltrop bleiben die 700 Party-Touristen immerhin friedlich. In eine Wohnstraße hat ein Scherzbold eingeladen, der das Facebook-Konto des dort wohnenden Jugendlichen geknackt hat. „Facebook-Partys sind legal!“, skandiert die Menge hier. Volksfeststimmung kommt auf zum Ferienbeginn, bevor die Polizei die Party auflöst. In Wesel dagegen stürmen die 150 betrunkenen Jugendlichen ein Privathaus, schmeißen Scheiben ein, reißen Regenrohre aus der Verankerung.
Wenn Du die Kontrolle aus der Hand gibst, weißt Du nie, wie viele Leute kommen. Und vor allem: welche Sorte. (Partyregel Nr. 2)
Auch interessant
Herne weiß das: „Erfahrungen in anderen Städten haben gezeigt, dass solche Partys extrem ausufern können.“ Drum stoppte Herne erst gestern eine Party, die nächsten Samstag vor einer Grundschule hätte stattfinden sollen. Das Problem ist nicht rechtlicher Natur, Herne etwa hat gleich ein Verbot für das gesamte Stadtgebiet erlassen. Das Problem ist die spontane Natur der Spontanpartys. Und die Polizei patrouilliert in der Regel nicht bei Facebook.
Warum überhaupt Facebook? Einfach, weil das Netz so ungeheuer effektiv ist. Der Knopf auf dem Bildschirm ist unscheinbar: „Neue Veranstaltung erstellen“? Na klar. Ein flotter Satz. Und die Freundesschar organisiert sich auf wundersame Weise selbst. Vor allem können die Freunde weitere Personen einladen. Aber Probleme gibt es nur, wenn der Veranstalter seine Einladung bewusst oder versehentlich öffentlich macht. Dann kann ein Schneeballeffekt einsetzen. Und die Partylawine rollt heran.
Masse sucht Masse. Für manche Menschen wird eine Party einfach dadurch interessant, dass sie groß ist. (Partyregel Nr. 3)
Gerade professionelle Veranstalter wünschen sich natürlich genau das, kaum eine Veranstaltung die heute nicht so beworben würde. Bands zum Beispiel annoncieren so ihre Spontankonzerte im Waschsalon zu Nullkosten, und mit dem anschließenden YouTube-Video wird die Fete als spontaner Ausbruch aus dem Regelwerk des Alltags erneut gefeiert. Nur steuerbar sind solche Partys kaum noch.
Je größer der Erfolg, desto größer das Risiko. (Partyregel Nr. 4)
Und wer bezahlt das Ganze? Das hängt auch davon ab, ob die Party bewusst geöffnet wurde. Im rheinland-pfälzischen Lemberg rief eine 16-jährige Gastgeberin am Samstag selbst die Polizei, weil 250 statt 25 Gäste gekommen waren. Ob sie und ihre Eltern die Kosten für den Einsatz tragen müssen steht noch nicht fest. Im baden-württembergischen Backnang dagegen sucht die Polizei noch den Hauptveranstalter einer Party mit 1000 Teilnehmern, der offenbar einen falschen Namen oder einen öffentlichen Computer genutzt hat. Einsatzkosten: 140 000 Euro.
Timo K. wird eine saftige Rechnung bekommen
Der Fall von Timo K. ist dagegen einfach gelagert. Die Polizei konnte dem Hagener nachweisen, dass er seine Party absichtlich geöffnet hatte. Und Timo K. ist offenbar Überzeugungstäter: Für Samstag hatte er erneut eingeladen – in den Dortmunder Stadtgarten. Das Ordnungsamt verbot die Party, für die Polizei aber bedeutete allein die „Androhung“ wieder einen Großeinsatz. Kosten: im hohen fünfstelligen Bereich. Plus der Hagener Einsatz. Timo K., der sich auf seiner Facebook-Seite ausgerechnet als „Event-Manager“ bezeichnet, droht eine Rechnung, die ihn in die Insolvenz treiben könnte.
Aber es geht auch anders: In Syke bei Bremen verlor am Freitag ein Laster seine Ladung mit Getränken. Über Facebook verbreitete sich die Nachricht, 200 Einwohner kamen, um beim Aufräumen zu helfen – und wurden belohnt mit Freigetränken. Die Polizei steuerte die spontane Facebook-Party per Megafon: „Keine Kästen, nur Flaschen mitnehmen. Und der junge Mann mit dem Rucksack hat noch nicht angepackt.“