Mönchengladbach. Zwei Frauen wurden in Mönchengladbach am Hauptbahnhof brutal zusammengeschlagen. Weil sie drei Jugendliche ermahnten, nicht im Bahnhof Fußball zu spielen. Zwei Täter sind noch nicht gefasst. Das liegt auch an zwei Zeugen der Tat.
Tatort Hauptbahnhof. Es ist ein sonniger Samstagmittag in Mönchengladbach. Brütende Hitze vor dem Hauptbahnhof, doch in der Halle ist es kühl. Vielleicht haben sich die drei türkischen Jungen deshalb diesen unpassenden Ort ausgesucht, um Fußball zu spielen, vielleicht kicken sie nur auf dem Durchmarsch.
Der Ball geht im Dreieck hin und her, und natürlich stört das die Reisenden. Eine 39-jährige Frau aus Köln bekommt den Ball ab, nimmt ihn auf, will ihn zurückgeben, und natürlich sagt sie dem 15-Jährigen, der ihr entgegenkommt: Spielt doch woanders! Da schlägt der Junge zu. Mit der Faust.
Die Attacke kommt ohne Vorwarnung. Aus nichtigem Anlass. Vollkommen enthemmt. Um 13.20 Uhr in der vollen Bahnhofshalle, zwischen all den Passanten. So berichtet es die Polizei, so erzählt es ein Zeuge gegenüber WDR.de: „Ich war gerade auf dem Weg in die Halle, als ich eine harsche Stimme hörte. Als ich um die Ecke kam, sah ich einen Jugendlichen, der mit der Faust mehrfach gnadenlos auf eine Frau einschlug, bis sie blutend zu Boden ging. Ich habe laut ,aufhören’ und ,Polizei’ gerufen. Für mich war das unglaublich.“
Auch die zwei Freunde des 15-Jährigen eilen herbei und schlagen auf die Frau ein. Die ist mit einer Freundin (35) aus Mönchengladbach unterwegs, die mutig dazwischengehen will. Und auch sie wird mit Faustschlägen attackiert. Die drei Schläger brechen beiden Frauen die Nasen. Die Kölnerin würgen sie am Hals, dass Blutstauungen zurückbleiben. Sie erleidet schwere Prellungen im Gesicht, ihre Freundin am Oberkörper. Ihre Lippe reißt auf unter den Faustschlägen. Beide Frauen sind blutüberströmt, als die Täter flüchten.
Der Polizist rennt schneller
Die Streife auf dem Bahnhofsvorplatz hat die Hilferufe der Frauen und der Passanten gehört, die Bundespolizisten rennen den Jungen hinterher. Die sind schnell. Einer der Polizisten ist schneller. „In der langen Mittelpassage des Bahnhofs“ sprintet er dem 15-Jährigen hinterher, berichtet Armin Roggon, Sprecher der Bundespolizei in Düsseldorf. Und nach etwa 200 Metern hat er den Jungen. „Er wehrte sich mit Händen und Füßen.“ Seine Kumpane sind entkommen.
Andere Reisende kümmern sich derweil um die Frauen, rufen einen Krankenwagen. Bis zum Abend werden sie behandelt, dann können sie das Krankenhaus vorerst verlassen. Der Nasenbeinbruch der Kölnerin muss später operiert werden. Erst muss ihr Gesicht abschwellen.
Auch zwei Tage nach der Tat sucht die Polizei noch nach den zwei Flüchtigen, sie sollen etwa im selben Alter sein, wie der 15-Jährige. Der wurde am Sonntagmorgen von seinem Vater bei der Polizei abgeholt. Keine Fluchtgefahr, entschied der Staatsanwalt. Gegen alle drei Jugendlichen hat er aber Strafanzeigen wegen gefährlicher Körperverletzung eingeleitet.
Das lange Pfingstwochenende erschwert wohl die Ermittlungen, auch konnte die Polizei die Opfer noch nicht abschließend befragen. Der 15-Jährige schweigt. Und auch zwei Zeugen, die sich noch am Bahnhof meldeten, bringen wohl keine Klarheit. „Es scheint sich um Mitglieder des Freundeskreises zu handeln“, sagt Roggon. Weitere Zeugen sucht die Polizei nun.
Erstaunlich: Es gibt zwar Überwachungskameras im Hauptbahnhof Mönchengladbach, aber das Signal wird nicht aufgezeichnet, erklärt Polizeisprecher Roggon. Es wird nach Aachen gesendet, wo Bahnmitarbeiter das Geschehen auf Monitoren verfolgen können. Theoretisch. Praktisch hat die Polizei diese Spur noch nicht verfolgt am Mittag des Pfingstmontags.
Gezielte Tritte gegen den Kopf
Tatort Hauptbahnhof, wieder einmal. Berlin. München. Und erst vergangenen Mittwoch wieder Berlin, S-Bahnhof Alexanderplatz. Ein junger Mann attackiert eine Obdachlose ohne Vorwarnung. Er schlägt die angetrunkene Polin unvermittelt nieder und tritt ihr gezielt gegen Kopf und Oberkörper – mit voller Wucht. Erst als ein Passant einschreitet, flüchtet der Täter. Die Frau hat überlebt. Hier haben Überwachungskameras die Tat festgehalten.
Roggon glaubt, dass die Gewalt im Rheinland noch nicht solche Ausmaße erreicht hat, es handele sich noch nicht um ein „versuchtes Tötungsdelikt“. Aber er sieht: „Die Brutalität hat seit ein, zwei Jahren eine andere Dimension erreicht. Es wird zugeschlagen und nachgetreten.“ Auch am Hauptbahnhof – am öffentlichsten Ort den man sich nur vorstellen kann. Und offenbar der anonymste.