Münster. . Straßennamen sollen erinnern, doch mit der Historie tun sich viele Städte schwer. Münster entscheidet über heute über die Umbenennung seines zentralen Platzes.

Es gab eine Zeit, da lagerten auf diesem Platz die Verstoßenen der Stadt. Ein halbes Jahrtausend später könnte noch ein weiterer hinzukommen: Heute entscheidet Münster, ob „Hindenburg“ aus dem Namen seines größten und bekanntesten Platzes gestrichen wird.

Paul von Hindenburg, Generalfeldmarschall und Reichspräsident, soll aus dem Straßenbild verschwinden. „Wir ehren hier ein politisches Vorbild, welches keines ist“, findet Oberbürgermeister Markus Lewe (CDU). Das hat Münster spät bemerkt. Jahrzehntelang gab es immer wieder Initiativen, die Hindenburg aus dem öffentlichen Gedächtnis der Stadt löschen wollten. Von „Straßenkampf“ schrieb eine Zeitung, was zu viel wäre für diesen nun erneut aufgeflammten Streit, und außerdem gerade hier schief: Schließlich sollte alles Militärische, das hatten die Alliierten 1946 in einer „Kontrollratsdirektive“ verfügt, aus den entnazifizierten deutschen Kommunen getilgt werden.

Ehrung schon zu Weimarer Zeiten

Tatsächlich musste deshalb der Name des Oberen Heeresleiters im Ersten Weltkrieg vielerorts längst weichen (Münster saß die Entscheidung damals aus). Vor allem aber störte die strittige Rolle des Reichspräsidenten, der einen gewissen Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannte. 1933 war das, weshalb Münsters Pro-Fraktion lange argumentierte: Wir haben mit der Straßen-Benennung den Soldatenhelden geehrt, den Politiker der Weimarer Republik, bereits 1927. Und war der „in Krieg und Frieden gleichmäßig bewährte, vorbildliche Vaterlandsfreund“ nicht demokratisch gewählt? Die Gegner sagen: Das kann man nicht trennen. Es gibt schließlich dieses berühmte Wahlplakat „Der Marschall und der Gefreite“ und auch den Boykott-Aufruf jüdischer Geschäfte, unterschrieben von eben jenem Hindenburg.

Auch andere Städte tun sich noch schwer schwer mit den schwierigen alten Zeiten. Solingen etwa schraubt in diesen Tagen den Namen Hindenburg vom neuen „Walder Marktplatz“. Hamm entschied sich eben gegen fünf „belastete“ Straßennamen früherer NS-Funktionäre und Heinrich Wagenfeld, umstrittener Heimatdichter, der auch in Münster nun auf dem „Index“ steht.

Essen hat seine Hindenburgstraße noch. Auch eine Von-Seeckt-Straße und die Von-Einem-Straße, benannt nach überzeugten Anti-Demokraten der Weimarer Zeit. Dortmund hätte sich gern getrennt von seiner „Reichswehrstraße“, was aber Anlieger verhinderten. Bochum ersetzte den Namen eines bekannten Antisemiten des 19. Jahrhunderts 2008 durch den von Anne Frank. Gelsenkirchen verzichtete 2001 auf die Benennung einer neuen Straße nach dem Schalker Spieler Fritz Szepan, nachdem bekannt geworden war, dass dieser 1938 von der Enteignung eines jüdischen Kaufmanns profitiert hatte.

Die wirklich Großen des Nazi-Regimes haben die Städte 1945 sehr eilig aus ihren Straßenkarten verbannt. „Hitler“ wurde oft schon vor dem Einmarsch der Alliierten abgehängt, übrigens auch alle „Hitler-Hindenburg“-Wege. Dortmund, mit Gladbeck vor genau 79 Jahren eine der ersten Städte im Ruhrgebiet mit einer „Adolf-Hitler-Allee“, taufte um, Herne entfernte die „Straße der SA“. Gladbeck und Castrop-Rauxel tilgten gleich alles Soldatische bis zurück ins 19. Jahrhundert.

Münster entdeckte damals seine „Bahnhofsstraße“ wieder, die gleich nach der Machtergreifung als „Ausdruck des nationalen Sieges“ nach dem neuen Diktator benannt worden war. Es blieben allerdings: die „Ostmark“ oder die „Danziger Freiheit“. Sie stehen nun ebenfalls auf der Streichliste, zusammen mit dem Hindenburgplatz. Der war lange Schauplatz für militärische Aufmärsche, 1933 Ort der Bücherverbrennung, ist heute dreimal jährlich Jahrmarkt und ansonsten – ein Parkplatz.

Eine Historiker-Kommission unter Vorsitz des OB empfiehlt dem Rat heute acht Straßen zur Umbenennung. Im Vorfeld wurden die Bürger befragt (fast die Hälfte der Beteiligten votierte für einen neuen Namen), Diskussionsrunden organisiert, eine Ausstellung aufgebaut. Und auch die Wissenschaft debattiert über Hindenburg: Von „öffentlicher Entehrung“ sprechen Historiker oder aber von einer Biografie mit wenigem, „was eine Ehrung verdient“.

Verdiente Personen

Denn als Ehrung ist eine Benennung einer der 1,3 Millionen innerstädtischen Straßen in Deutschland gedacht. Kein Spiegel der Geschichte soll sie sein, vielmehr Deutung derselben, wie es in einem eben erschienenen Buch zum Thema heißt (s. Kasten). „Jede Generation“, so Münsters OB Lewe, „darf entscheiden, wen sie mit einem Straßennamen ehrt. Hindenburg gehört nicht dazu.“ Oft wählten die Gemeinderäte verdiente Personen, Männer meist, dazu solche, die ihnen verbunden schienen. So erinnert Berlin besonders an die Hohenzollern, München eher an die Wittelsbacher, Westfalen an Kirchenleute, das industrielle Ruhrgebiet auch an Sozialisten: Luxemburg, Marx, Liebknecht. . .

Man kann über alle(s) diskutieren. Weshalb auf Straßenkarten zuletzt ein Trend zu beobachten war: zurück zu unverfänglichen Tiernamen.