Bottrop. . Die schwedische Königin weihte einen Tagestreff für Demenzkranke des Malteser Hilfsdienstes ein.

Die Königin kommt, wir erwarten Kutsche, Knicks und Jubel. Aber dies hier ist die Republik, das Schloss ist ein Festzelt vom Verleih in Haltern, und dem bisschen Volk am Straßenrand müssen die Fähnchen erst gereicht werden. Nun kennt Silvia von Schweden ja ihr Deutschland, wenn auch womöglich noch nicht Bottrop, wo sie am Freitag einen Tagestreff für Demenzkranke eröffnet hat. Und wozu Prunk nicht passt.

Der Kies wird gefegt

Zudem ist hier der Stadtteil Eigen, und die Szenerie, nun ja, ebenso: Gegenüber wird gebaut, Fliesen Schmidt ist gerade am Werk, und der Vorgarten noch gar nicht gemacht. Das gilt allerdings auch für den der Malteser, die den Tagestreff betreiben. Das Gras ist noch nicht angegangen früh im März, weshalb sie jetzt den Kies mit einem großen roten Besen fegen, und hinterm Tor haben sie vier Primeln ins nackte Erdreich gestopft.

Schweden ist dagegen „ein Traumland“, sagt Helga Kaufmann, die gegenüber am Rinnstein ihren Gartenstuhl aufgeschlagen hat, sie fährt jedes Jahr hin und hat daheim im Wohnzimmer ein großes Foto von Kronprinzessin Victoria, „Vvvictoria“, sagt sie, mit F.

Natürlich verehrt sie auch Silvia, und die Malteser, ergänzt sie, als das Malteser-Fernsehen fragt, „das sind gute Menschen“. Vor allem sind es aufgeregte Menschen an diesem besonderen Tag.

Alle paar Minuten wird der rote Teppich gebürstet und das Gestühl kontrolliert („Die Presse darf nicht sitzen“), rot betuchte Damen eilen mit Papieren hin und her, hinterm Haus probt der Frauenchor. Hinter Vorhängen wird der Kuchen angerichtet, fürs Fußvolk gibt’s Hackbällchen. Köttbullar bestimmt. Sogar für die Toilette haben sie zwei Kerle abgestellt, man darf den Raum nur einzeln betreten und bitte auch bloß das Herrenklo. Die Abteilung für Damen (und Behinderte) ist nur für den hohen Besuch, falls der mal muss für kleine Königinnen; auf dem Spülkasten stehen rote Blumen in Porzellan.

Und die Räumlichkeiten, um die es heute geht, gemütlich mit einem Hauch von Ikea: Die darf nun keiner mehr sehen vor ihrer Majestät. Sie darf später das rote Band durchschneiden und das rote Flanellläppchen lüften vor dieser bundesweit ersten Einrichtung ihrer Art: einer Begegnungsstätte mit geschultem Personal für Demenzkranke im Frühstadium. Was eine Idee ist von „Silviahemmet“, der Stiftung der Königin, in Schweden gegründet, als sie, wie sie später sagt, Demenzerfahrungen „mit meiner eigenen Mutter sammeln musste“.

Mit Verspätung fährt ein schwarzer Wagen der Luxusklasse vor, es entsteigt ihr hinten rechts die Königin: cremeweißes Wollkostüm, schwarzes Täschchen, breites Perlencollier, glitzernde Schmetterlingsbrosche. „Sie erreichen die Herzen der Menschen“, wird Oberbürgermeister Bernd Tischler ihr in seiner Rede zurufen, nur deren Hände, die erreicht sie nicht. Frau Kaufmann winkt, es ruft Frau De Kok, Kameras recken sich, Silvia lächelt – aber wird sofort davongeführt, hinten rum, ins Zelt. Noch einmal dreht sie sich um zu den Leuten, als zwei Kinder ihr Blumen reichen, dann verschwindet sie im Geraschel der Papierfähnchen, die das Kinderspalier schweigend wedelt.

Lächelnd. Die Königin ist eine freundliche Frau, so kennt man sie im Ruhrgebiet von früheren Besuchen. Sie lächelt, als sie sie begrüßen, sie „geschätzt und geachtet“ nennen, Majestät, Exzellenz und Eminenz. Der Bischof ist ja auch gekommen, da weiß man kaum, wer gemeint ist vor lauter Titeln. Sie lächelt über die Dankesworte, das schwedische Lied, das der Chor der gebürtigen Deutschen singt und auch, als OB Tischler ihr mit weiter Armbewegung gratuliert „zur Geburt Ihrer kleinen Enkeltochter – von uns allen“!

Skandinavischer Akzent

Sie selbst redet ernst über das ernste Thema Demenz, über ihre Mutter, vom Leid der Angehörigen, vom Erhalt „größtmöglicher Lebensqualität“. Die Königin liest ab von gelben Zetteln, man erkennt einen leichten skandinavischen Akzent an den S-Lauten, einmal verhakt sie sich in einer deutschen Jahreszahl. Und muss lachen. Ihr „Viel Erfolg und Gottes Segen“ kommt aus so tiefem Herzen, dass man es hören kann.

Dann entschwindet sie durch den Hinterausgang des Zelts ins Haus der Malteser. Es ist der Moment, in dem „die Presse“, wie Vorstandsmitglied Enno Bernzen ins Mikro versprochen hat, „uns verlässt und es gemütlich wird“.