Gelsenkirchen. . Ein Ehrentag für Zusteller, die schon seit 25 oder 40 Jahren ganz früh aufstehen müssen: Am Samstag folgten 40 Zeitungsboten einer Einladung in den Zoom in Gelsenkirchen und bekamen eine Auszeichnung.

Vermutlich hat Howard Carpendale mal eine Zeitungszustellerin angebetet, sonst hätte sein Lied ja keinen Sinn: „Nachts, wenn alles schläft, solltest du bei mir sein.“ Aber tatsächlich ist es so, dass fast in jeder Nacht, und zwar wirklich mitten drin, allein für die WAZ-Mediengruppe in NRW rund 6000 Menschen ziemlich umstandslos aufstehen, um die Zeitungen zu bringen – und sie machen kein großes Gewese darum. Am Wochenende sind 40 von ihnen als Jubilare geehrt worden, nach 25 oder 40 laufenden Jahren im Nachtdienst, im Einzelfall auch noch mehr. „Ehre, wem Ehre gebührt“, sagt da der Geschäftsführer Logistik, Peter Lange; und zumindest hätte man draußen keine Vuvuzelas gehört.

Freilich bringen sie nicht nur Geschichten ins Haus, sie stecken auch selber voller solcher. Zeitungsboten finden Gestolperte und Gestrauchelte, sie sehen Einbrecher am Werk, sie erreichen Haustüren, die versehentlich offen stehen, und gehen an Autos vorbei, in denen der Schlüssel steckt. Sie haben schon ausgebrochene Esel eingefangen oder Menschen wachgeschellt, denen gerade das Dach über dem schlafenden Kopf abbrannte. Nebenjob Nachtwächter.

Es erzählt . . .

. . . Gitta Jaske aus Neuenrade: „Das muss über 20 Jahre her sein, da schieb ich die Zeitung durch den Briefschlitz, da sagt drinnen eine weibliche Stimme: ‘Ich hab’ doch schon eine Viertelstunde die Zeitung gelesen, wieso kommt denn jetzt noch eine?’ Ja, da war das die Zeitung von gestern!“ Die 63-Jährige ist heute Oberbotin und Einsatzleiterin: „Mir persönlich macht das Spaß. Ich steh’ immer um zwei Uhr auf“, sagt sie.

. . . Gisela Borowy aus Velbert, die nach einem schweren Sturz im Schnee mit verletztem Gesicht die Zeitungen zu Ende austrug, bevor sie zum Arzt ging: „Ich hab auch mal einen Betrunkenen gesehen, der bewusstlos vor der Haustür lag. Ich hab’ die Sanitäter angerufen, aber die wussten auch nicht, wie sie den wachkriegen sollten. Sie haben von der Polizei gesprochen, und schwuppdiwupp, ist der dann plötzlich rein ins Haus.“

. . . Ruth Freytag (78) aus Duisburg: „Ich mag nicht immer nur Haushalt, ich muss immer unter Menschen, ich muss einfach was tun. Passiert schon mal nachts, dass jemand stehenbleibt mit dem Auto, aber dann kommt mein Mann an und dann fahren die weg.“ Herbert Freytag ist 89 Jahre alt. Die beiden ziehen nachts zusammen los.

. . . Elfriede Meinecke aus Mülheim: „Das ist meine Morgengymnastik, man spart sich regelrecht die Muckibude. In der ersten Zeit ist mir schwergefallen, dass die Abende dann weg waren, aber da ist man längst so umgepolt . . . Ich wollte in Saarn die Zeitung bei der Sparkasse einwerfen, da war ich plötzlich von Polizisten umringt. Damals ist in der Gegend viel eingebrochen worden, die hielten mich wohl für eine Komplizin.“

Toter Fisch schlägtDieb in die Flucht

Und dann war da noch die Geschichte von dem Leser, der sich bei seinem Boten beschwerte, die Zeitung werde ständig gestohlen. Der Bote hat sich an die übliche Zweitverwertung von Zeitungen erinnert und in die, die er in der nächsten Nacht vorbeibrachte, einen toten Fisch gewickelt. Am Morgen lagen Zeitung und Fisch in aufgelöstem Zustand vor dem Haus, und von dem Dieb darf man getrost Ähnliches annehmen: Er kam nie wieder.