Duisburg. . Die Bilder sind unvergessen. Adolf Sauerland wischt sich Ketchup aus dem Gesicht. Eine persönliche Attacke als Höhepunkt einer Protestwelle, die über Duisburgs Oberbürgermeister schwappt – und die mit seiner Abwahl am Sonntagabend nun abebben dürfte. Wie konnte es so weit kommen?

Die Bilder sind unvergessen. Adolf Sauerland wischt sich den Ketchup mit einem Taschentuch aus dem Gesicht. . Er bleibt auf der kleinen Bühne in Duisburg-Rheinhausen stehen, versucht den unwürdigen Augenblick so würdig durchzustehen, wie ihm das möglich ist. Eine persönliche Attacke als Höhepunkt einer Protestwelle, die über Duisburgs Oberbürgermeister schwappt seit der Katastrophe um die Loveparade – und die mit seiner Abwahl am Sonntagabend nun abebben dürfte.

Bis zu den schrecklichen Ereignissen jenes 24. Juli 2010 schätzten ihn die Duisburger als erdverbundenen Macher, ihn, dem es gelungen war, die 50 Jahre andauernde Vorherrschaft der Sozialdemokraten in der Stadt zu brechen. Doch die Loveparade mit 21 Toten und mehr als 500 Verletzten wird zum Wendepunkt: Sauerland gibt bei der Aufarbeitung des Dramas eine erbärmliche Figur ab. Noch am Abend des Unglücks versteigt er sich ohne Detailkenntnisse zu abenteuerlichen Schuldzuweisungen in Richtung der Opfer, am Tag darauf blamiert er sich bei einer verheerend inhaltsarmen Pressekonferenz. Rücktrittsgerüchte machen die Runde, werden aber schnell dementiert, die CDU will ihren letzten Ruhrgebiets-OB nicht herschenken. Ein Abwahlantrag im Rat scheitert später an der fehlenden Zweidrittelmehrheit.

Er macht weiter

Sauerland macht weiter, und er wird nicht besser. Im Gegenteil. Er windet sich in seinen dürren Erklärungen, verschanzt sich bei den ungezählten Nachfragen hinter der Einschätzung, ein Rücktritt sei gleichbedeutend mit einem persönlichen Schuldbekenntnis. Selbst der Bundespräsident legt ihm den Abgang nahe, vergeblich, und seither wird Sauerland das Image des Sesselklebers nicht mehr los.

Dem Zorn vieler Bürger folgt die Empörung der Stadtverwaltungs-Mitarbeiter, die sich von ihm im Stich gelassen fühlen: Er persönlich habe keine Genehmigungen unterschrieben, gibt er in Interviews zu Protokoll. Er werde im Amt bleiben, bis gerichtlich festgestellt werde, wer die Schuld an der Tragödie trage. Aber auch ein bestelltes, 400 000 Euro teures Gutachten, das keine Fehler der Verwaltung sieht, hilft ihm nicht. Der Druck bleibt enorm, und wie man so etwas aushält, weiß nur Sauerland selbst. Wie stark ist die Kraft des Verdrängens?

Demonstrativ im Abseits

Trauerfeiern muss er schon aus Selbstschutz meiden, in der Öffentlichkeit sieht man ihn wochenlang nicht. Wie kann Adolf Sauerland Duisburg repräsentieren? Die Stadt müsse den aufrechten Gang wieder lernen, sagt er – aber geht das noch mit einem Mann an der Spitze, der gebückt durch die Straßen schleichen muss, fragen sich viele.

Einsam ist er, und auch das Bild vom traurigen Mann unter dem Regenschirm wird dank seiner Symbolkraft bundesweit gedruckt: Bei der Aufführung von Gustav Mahlers „Sinfonie der Tausend“ im Duisburger Landschaftspark sieht es so aus, als ließen ihn Christian Wulff und Hannelore Kraft demonstrativ im Abseits stehen. Heimatlos in der Heimat.

Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis der 56-Jährige so etwas Ähnliches wie einen Entschuldigungsversuch hervorpresst. Da ist es längst zu spät für Adolf Sauerland.

Was ihm leid tut, interessiert niemanden mehr.