Düsseldorf. Wegen der starken Sicherheitskontrollen begann der Terror-Prozess gegen die Sauerland-Zelle mit eineinhalb Stunden Verspätung. Die Verteidiger der Anwälte kritisieren die Rolle der Geheimdienste bei den Ermittlungen.

Er grinst, als fühle er sich stark wie tausend Mann. Sitzt da, während alle anderen im Saal aufstehen und damit der dritten Gewalt im Staat, dem Gericht, ihren Respekt zollen. Adem Y., der 30-Jährige aus der Sauerland-Zelle, bleibt also einfach sitzen, lacht und streicht, mit sich selbst offensichtlich zufrieden, über seinen wuseligen Bart. Das weiße Strick-Käppi hat er auch nur abgesetzt, nachdem Richter Ottmar Breidling ihm mit einer Ordnungsstrafe drohte. Und nun ruft er nicht weniger rotzig in den Raum: „Ich stehe nur für Allah auf!”

Scharfe Kontrollen zu Beginn des Prozesses

Mit satten eineinhalb Stunden Verspätung, verursacht durch scharfe Einlass-Kontrollen, beginnt der Terrorismus-Prozess gestern im Hochsicherheitstrakt des Düsseldorfer Oberlandesgerichts. Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, Anschlagsvorbereitungen und Verabredung zum Mord wirft die Anklage den vier zwischen 22 und 30 Jahren alten Männern vor.

Als da sind: Fritz G., 29, ehemaliger Student des Wirtschaftsingenieurwesens in Ulm. Er soll der Kopf der deutschen Zelle der Islamischen Dschihad Union (IJU) gewesen sein. Adem Y., 30, in der Türkei geboren, bis 2003 angeblich Kaufhaus-Detektiv, danach arbeitslos. Daniel S., 23, einer, der als geringfügig Beschäftigter arbeitete und wie Fritz G. zum Islam konvertierte. Und zuletzt Atilla S., 23, arbeitslos und im November 2008 aus der Türkei ausgeliefert. Zusammen mit dem Studenten Fritz G. soll er sich in der islamistischen Szene Ulms radikalisiert und später die Zünder für die Sprengstoff-Anschläge besorgt haben.

Anklage: Anschläge sollten Ausmaß des 11. September erreichen

Ihnen allen wirft Bundesanwalt Volker Brinkmann vor, 2007 mindestens drei Anschläge vorbereitet zu haben, um „militant gegen die westliche Gesellschaft vorzugehen”. Brinkmann: „Sie wollten Anschläge verüben, die die Ausmaße des 11. September erreichen sollten”.

2006 in Ausbildungslagern der IJU in Pakistan geschult, verfügten sie über Schieß- und Sprengstoffkenntnisse, hatten gelernt Dokumente zu fälschen. Angeleitet von „Rädelsführer” Fritz G. und im ständigen Kontakt mit der Al Kaida freundlichen Führungsclique der IJU, gingen sie dabei äußerst konspirativ vor. Legten tote Briefkästen in e-Mail-Accounts an, besuchten über 200mal 68 verschiedene Call-Shops, nutzten über hundert Mal W-Lan-Verbindungen völlig Unbeteiligter. Dennoch waren ihnen der US-Geheimdienst und bald auch deutsche Fahnder auf der Spur.

Ziele: Dortmund, Düsseldorf, Köln, Ramstein

Als sie in einem Ferienhaus im sauerländischen Oberschledorn an ihrer hochexplosiven Sprengstoff-Mischungen aus Wasserstoffperoxid und Mehl bastelten, schlug die Elite-Einheit GSG 9 zu. In Dortmund hatten sie im Elektrokaufhaus Conrad, bei Karstadt, Saturn und Kaufland letzte Utensilien gekauft, wie Kabel, Messgeräte, Dioden und Lötkolben.

So nah waren die Terroristen, so nah ihre Ziele. Dortmund, Düsseldorf, Köln, Ramstein. Kneipen. Diskotheken. Flughäfen. „Wenn jeder Sprengsatz 50 tötet, dann sind das 150 Tote”, soll Fritz G. die Arbeiten kommentiert haben.

Welche Rolle spielten die Geheimdienste?

Längst wurden sie beobachtet, abgehört. Und genau an diesem Punkt setzt im Prozess auch die Kritik ihrer Verteidiger an. Von V-Leuten ist da die Rede, die im Auftrag mehrerer Geheimdienste tätig waren und gleichzeitig die benötigten Sprengzünder nach Deutschland geschickt haben sollen. Und wie, so argumentieren die Verteidiger von Adem Y. und Atilla S., kann es sein, dass „US-amerikanische Behörden bei der sogenannten Operation Albatros Personen in Pakistan und Deutschland ohne rechtliche Grundlage überwacht haben?

Auch dass Zeugen in für Folter bekannten usbekischen Gefängnissen vernommen wurden, „ohne ihnen ein Fragerecht einzuräumen”, verstoße gegen das Recht auf ein „faires Verfahren”. Bundesanwalt Brinkmann kommentiert diese Fragen, diese Kritik nachdrücklich vor dem Gerichtssaal. Den Vorwurf, dass V-Leute eingesetzt worden seien, könne er nicht bestätigen. Bei der Vernehmung in Usbekistan seien Beamte des Bundeskriminalamtes und der Bundesanwaltschaft anwesend gewesen, sie sei auf Video aufgenommen worden. Brinkmann: „Es gibt keinen Hinweis auf verbotene Methoden!”

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