Essen. . Mehr Zusammenarbeit über Stadtgrenzen hinweg soll sich lohnen. Vorbildliche Projekte im Ruhrgebiet werden nun prämiert. Initiativkreis Ruhr und RAG-Stiftung rufen einen Wettbewerb ins Leben. 310.000 Euro stehen als Preisgeld zur Verfügung.

Burkhard Drescher geht besonders weit. Der frühere Oberbürgermeister von Oberhausen, der heute das Bottroper Stadtumbauprojekt Innovation City organisiert, kann sich gleich eine ganze Reihe von Fusionen im Ruhrgebiet vorstellen. Er spricht von Stadtwerken, Sparkassen, Wohnungsgesellschaften, Verkehrs- und Müllbetrieben ebenso wie von den Theatern der Region. Das Ruhrgebiet müsse die „Kleinstaaterei“ überwinden, sagt Drescher. Seine Argumente für Zusammenschlüsse über die Stadtgrenzen hinweg sind niedrigere Verwaltungskosten, Impulse für die Wirtschaft und die Aussicht auf mehr Strahlkraft auf internationaler Ebene.

Dreschers Vorstellungen sind radikaler als die Positionen des Initiativkreises Ruhr (IR). Gleichwohl treibt auch das einflussreiche Bündnis von 70 führenden Unternehmen der Region die Diskussion über Kooperationen im Revier weiter voran. Die Bestandsaufnahme des Initiativkreises fällt schonungslos aus. Hohe Arbeitslosenquoten, schrumpfende Städte und schlechte Noten für die Bildung dürften kein Dauerzustand sein, heißt es.

Es geht auch um die Ergebnisse einer Studie, die das Essener Wirtschaftsforschungsinstituts RWI vor wenigen Monaten veröffentlicht hat. Demnach laufen Teile des Reviers Gefahr, abgehängt zu werden. Einige Städte wie Dortmund, Essen und Mülheim können laut RWI-Studie zwar gut mit der Entwicklung anderer Regionen wie der Rheinschiene (Düsseldorf, Köln und Bonn) mithalten, andere Städte und Kreise – gerade im nördlichen Ruhrgebiet – hinken aber deutlich hinterher.

Kritik an der Ruhrstadt-Idee

Die Ideen einer „Ruhrstadt“ oder einer „Metropole Ruhr“ sehen die RWI-Forscher überaus kritisch. Zentralismus sei angesichts der Vielschichtigkeit des Reviers der falsche Weg. Bei der Bewältigung des Strukturwandels sollte das Ruhrgebiet stattdessen auf freiwillige Kooperationen in den Kommunen setzen.

Diesen Gedanken greifen der Initiativkreis Ruhr und die RAG-Stiftung nun auf – und zwar durch einen Wettbewerb, der gelungene Kooperationen von Kommunen, Vereinen, Universitäten und Verbänden prämiert. Das Preisgeld, das die RAG-Stiftung beisteuert, ist bemerkenswert: 310.000 Euro stehen zur Verfügung.

Vorsitzender der Jury ist Initiativkreis-Moderator Bodo Hombach. Ihm zur Seite stehen Persönlichkeiten aus der Region. Ausgezeichnet werden sollen zehn Kooperationsideen. Die Preisverleihung findet im Juni statt. Vorbildlich seien Initiativen, die „im Kleinen begonnen und eine große Wirkung erzielt haben“. Dies könne beispielsweise der gemeinsame Bau von Kindergärten oder kommunalen Heizkraftwerken sein.

Finanznot der Städte

„Wir sollten Stück für Stück zu einer engeren Zusammenarbeit kommen“, sagt Karola Geiß-Netthöfel, die Direktorin des Regionalverbandes Ruhr (RVR). Geiß-Netthöfel, die ebenfalls Jury-Mitglied ist, betont den konkreten Nutzen von Kooperationen jenseits der Kirchturmpolitik: „Es lassen sich auch Kosten sparen, wenn Verwaltungsaufgaben über Stadtgrenzen hinweg erledigt werden, ohne dass der Bürger davon etwas merkt.“

Burkhard Drescher jedenfalls sieht dringend Handlungsbedarf. Praktisch alle Kommunen des Ruhrgebiets seien pleite – und die soziale Infrastruktur sei „gefleddert“. Außerdem werde das Ruhrgebiet „weder auf dem Radarschirm internationaler Investoren noch als touristischer Anziehungspunkt oder als kulturelle Metropole“ wahrgenommen. Auch daher macht sich Drescher dafür stark, einen Oberbürgermeister als „Sprecher der Region“ zu benennen. Diese Persönlichkeit solle die Position des Reviers gegenüber Wirtschaft, Land, Bund und Europäischer Union vertreten.