Ruhrgebiet. . Ein Italienischer Staatsanwalt kritisiert die deutsche Gesetzgebung zu organisiertem Verbrechen. Die Spuren der Mafia führen immer wieder auch ins Ruhrgebiet. Doch der Justiz hierzulande sind im Kampf gegen das organisierte Verbrechen die Hände gebunden.

Die Mafia in Deutschland breitet sich nach Ermittler-Angaben immer weiter aus. Ein Grund dafür: eine Gesetzgebung, die nicht dafür geeignet ist, Mafia-Organisationen hierzulande zu bekämpfen, wie Italiens renommiertester Antimafia-Staatsanwalt Nicola Gratteri der WAZ sagte.

Gratteri ist Ermittler in Süditalien in der Reggio Calabria, hier haben die mächtigsten Mafia-Gruppen, die Clans der `Ndrangheta, ihre Stammsitze. Seit der Aufklärung der Morde von Duisburg ist Gratteri mit den grenzüberschreitenden Mafiastrukturen bis nach Deutschland vertraut. Und er ist verärgert darüber, wie wenig die deutschen Staatsanwälte mit den Erkenntnissen der italienischen Ermittler anfangen.

Zugehörigkeit zu Mafia-Clan muss unter Strafe gestellt werden

„Es gibt in Deutschland kein Gesetz, dass die Mitgliedschaft in der mafiösen Gesellschaft verbietet“, sagt er. Die Verfolgung krimineller Banden sei in der Regel an konkrete Straftaten gebunden. Nur wenn diese nachgewiesen werden können, würden Gefängnisstrafen verhängt. Die Strukturen der Mafia seien jedoch mit dieser Methode nicht zu bekämpfen. In der `Ndrangheta trage laut Gratteri jedes einzelne Mitglied zum Erhalt des Ganzen bei, auch wenn es nach außen als Saubermann agiere. Um diese Strukturen zu zerschlagen, sei es nötig, schon die Zugehörigkeit zu einem Mafia-Clan unter Strafe zu stellen.

Wie tief der Krebs sich in die Gesellschaft frisst, beschreibt der italienische Reporter Gianluigi Nuzzi in seinem Buch: „Metastasen“. Nuzzi hat für seine Arbeit den `Ndrangheta -Aussteiger Giuseppe Di Bella begleitet. Dieser beschreibt, wie Waffenspezialisten der Mafia europaweit Revolver und Kalaschnikows besorgen und damit Killerkommandos versorgen. Er beschreibt, wie Kokain-Dealer den Großhandel mit der Wohlstandsdroge aufziehen und wie Geschäftsleute der `Ndrangheta in ganz Europa Pizzerien und Handelsfirmen eröffnen, um Tarnjobs zu beschaffen und illegale Gewinne zu waschen. Nuzzi beschreibt weiter, wie tief im Hintergrund die Strippenzieher den Kontakt zur Elite der Gesellschaft organisieren, um damit einen Rahmen zu schaffen, in dem die Geschäfte florieren können.

Stützpunkte für Drogenhandel und Geldwäsche

Wie weit die von Nuzzi beschriebenen Geschwüre schon reichen, beschreibt Francesco Forgione in seinem Buch „Mafia-Export“. Francesco Forgione ist Dozent für Geschichte und Soziologie mit dem Schwerpunkt „Organisierte Kriminologie“ an der Università dell’Aquila. Zuvor war er Vorsitzender der Antimafiakommission der italienischen Abgeordnetenkammer während der Regierung Prodi. Anhand von italienischen Ermittlungsunterklagen zeigt Forgione detailliert auf, wo in Düsseldorf, Bochum oder Duisburg die `Ndrangheta-Clane ihre Stützpunkte zum Drogenhandel oder zur Geldwäsche unterhalten.

In seinem Buch etwa beschreibt er etwa die Hintergründe des Bruno Pizzata, der in Oberhausen in der Pizzeria „La Cucina“ seines Bruders verhaftet wurde. In Italien nennen sie ihn „König der Drogenhändler“. Forgione zeigt die Ausbreitung der kriminellen Schattenwirtschaft, die direkt vor unserer Haustür beginnt.

Feinkost Import- und Export in Mülheim als Tarnung

Nur selten finden Ermittler in Deutschland konkrete Bezüge zur transnationalen Geldwäsche. Wie zum Beispiel das BKA in einer internen Analyse, die der WAZ vorliegt. Hier wird die Karriere des Unternehmens Francesco L. aus Corigliano Calabro beschrieben. Dieser ist seit 1967 wegen diverser „Eigentums- und Falschgelddelikte“ einschlägig bekannt, schreibt das BKA. Zudem soll er Waffen besorgt haben. Im Jahr 1989 trat er zudem wegen Betrugs in Dortmund in Erscheinung. Kronzeugen der italienischen Justiz haben bestätigt, dass Francesco L. für den `Ndrangheta-Clan der Carelli Gelder gewaschen und in Deutschland wieder investiert haben soll.

Der Carelli-Clan gilt als einer der gewalttätigsten europaweit. Aus seinen Reihen stammt der Killer Giorgio Basile, der als einer der wenigen geständigen `Ndrangheta-Mitglieder über die Strukturen seines Clans auspackte.

Doch trotz dieser Erkenntnisse kann Francesco L. nach Recherchen der WAZ gleich mehrere Unternehmen betreiben. Einmal einen Feinkost Import und Export mit Sitz in Mülheim an der Ruhr, der seit Jahren chronisch überschuldet ist. Und dann noch einen weiteren Betrieb für den Fischhandel in Corigliano Calabro in der Provinz Cosenza, mitten im Stammland der `Ndrangheta.

Gegen Francesco L. liegt in Deutschland nichts vor. Obwohl er nach Ansicht italienischer Mafia-Jäger einem `Ndrangheta-Clan zugehörig ist.