Düsseldorf. . Immer häufiger fallen der Polizei Senioren auf, die illegale Drogen konsumieren. Experten sprechen schon von „Rentnern im Rausch“, raten zum Drogenentzug.
„Valium“, rät der Arzt telefonisch dem leicht verwirrten Bildhauer am anderen Ende der Leitung, „nimm Valium, das hilft dir!“ Dem 73-Jährigen hat es geholfen. Dabei war es nicht das erste Mal, dass er ein Plätzchen zu viel zu sich nahm. Eins von den vielen, in deren Teig er Marihuana gemischt hatte. Er wohnt in einer Künstlerkolonie im Duisburger Süden - und dort konsumiert nicht nur er zwischendurch mal Haschisch. Der 73-Jährige konnte seine kleine Konfusion mit einer Tablette beruhigen.
Kein Konsument, sondern ein Verkäufer ist dagegen Mitte Juli der Polizei in Köln ins Netz gegangen. Der 71-Jährige stand im Volksgartenpark und verkaufte dort Marihuana. Laut Polizeiprotokoll wirkte er „recht gelassen“ – zumal der Routinier auch „nicht zum ersten Mal“ wegen Drogenhandels aufgefallen war.
Alter, das weiß der Volksmund, schützt vor Torheit nicht. Die Statistik des nordrhein-westfälischen Landeskriminalamts (LKA) in Düsseldorf stimmt dem zu: Vor gerade mal zehn Jahren gab es gegen über 60-Jährige noch 74 Strafverfahren wegen des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz. Inzwischen sind es 177. Davon sind 146 Männer betroffen. Rentner im Rausch? Immerhin: NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) hat „das Problem erkannt“, sie wird in absehbarer Zeit ein „Konzept gegen Sucht“ vorlegen und dazu einen „Aktionsplan“. Die Motive der Menschen im Oma- und Opa-Alter sind selbst für Fachleute nur schwer ausfindig zu machen.
Der 71-Jährige in Köln handelte im Volksgarten mit dem Hanfprodukt in kleinen Tütchen. Seinem Geständnis zufolge wollte er mit dem Erlös seine Schulden abtragen. Was eine 75-Jährige in Düsseldorf bewegte, auf ihrem heimischen Balkon Cannabis anzupflanzen, ließ die Polizei im Dunkeln. Fest steht: Die Beamten fanden 70 bis zu 1,30 Meter große Pflanzen.
Der aufsehenerregendste Fall von drogenverkaufenden Rentnern spielte sich allerdings im Jahr 2010 vor dem Wuppertaler Landgericht ab: Dort stand mit der 85-jährigen Hannelore M. Deutschlands wohl älteste Drogendealerin vor Gericht. Sie hatte gemeinsam mit ihrem 50 Jahre alten Sohn und ihrem 28-jährigen Enkel seit März 2008 mit Heroin gehandelt und es an ihrem damaligen Wohnort in Solingen verkauft.
„Das Thema ist da“, sagt Gaby Schnell von der nordrhein-westfälischen Landesseniorenvertretung. Neben Alkohol und Tabletten greifen zunehmend ergraute Weise zu Ecstasy, Heroin oder Haschisch. „Vielleicht ist das die Macht der Gewohnheit?“, vermutet sie. Frank Scheulen, Sprecher des Landeskriminalamts, meint, der demografische Wandel werde auch hier deutlich: „Die jungen Täter werden eben auch älter, und viele sind offenbar durch das Leben nicht geläutert worden.“
Diese Ansicht teilt aus medizinischer Sicht auch Christa Roth-Sackenheim: „Die Drogenkranken werden einfach älter.“ Die Sprecherin des Berufsverbandes Deutscher Psychiater sieht ein Veteranen-Phänomen wachsen. „Die Junkies können bei unserer modernen Heilkunde länger überleben.“ Und fürsorglich fügt sie hinzu: „Für eine Entzugstherapie ist es nie zu spät!“