Dortmund. .

Mehrere Wochen kostenlos bei wildfremden Menschen im Ausland übernachten – damit hat Studentin Julia Weiß (22) schon so manchen spannenden Urlaub verbracht. Möglich wird das mit Gastfreundschaftsnetzwerken: Julia ist eine von fast 300 000 deutschen Nutzern des internationalen Internet-Portals Couchsurfing.

Schon seit drei Jahren sucht sich die gebürtige Essenerin auf der Plattform Übernachtungsmöglichkeiten in aller Welt; war schon in Lateinamerika, Spanien und Italien unterwegs. Im Gegenzug bietet sie anderen Couchsurfern einen Platz auf dem Schlafsofa in ihrer Dortmunder Wohngemeinschaft an.

„Man muss Vertrauen haben“, sagt sie, denn bevor sie jemanden anschreibt, ob sie dort übernachten könne, kennt sie nur das, was derjenige in seinem Online-Steckbrief preisgibt. Dort sind unter anderem Fremdsprachenkenntnisse, Interessen und Referenzen von anderen Couchsurfern nachzulesen.

Neugier auf andere Menschen scheint eine Grundvoraussetzung zu sein, um bei Couchsurfing mitzumachen „Das Tolle ist: Man kommt in persönliche Wohn- und Schlafzimmer und trifft Menschen, die man sonst nie kennengelernt hättest“, erzählt die Studentin.

Dabei sind die Gründe dafür, dass Couchsurfer fremde Menschen in ihr Allerheiligstes lassen wollen, durchaus unterschiedlich. So habe sie in Italien, als sie gemeinsam mit einer Freundin auf Couch-Surfing-Urlaub war, einmal bei einem Chirurgen in einem großen Haus mit Pool übernachtet, der morgens extra in die Stadt fuhr, um seinem Besuch frische Brötchen aufzutischen. „Das war eine der tollsten Erfahrungen“, erzählt Julia. „Dabei war der Typ gar nicht so sehr am Austausch interessiert, er wollte einfach, dass wir eine gute Zeit haben“, glaubt sie. Und etwas zurückgeben, da er selbst früher oft auf diese Weise gereist sei.

Auf der anderen Seite gibt es auch Couchsurfer, die mehr als nur Erfahrungen austauschen wollen: „Manche Leute nutzen das Portal auch als Partnerbörse, da muss man aufpassen“, erzählt sie. Selbst hat sie auch schon einmal einen solchen Fall erlebt. Da ist sie mit einem Gastgeber so gut ins Gespräch gekommen, dass dieser sich auf einmal mehr herausnehmen wollte. „Das war ein kleiner Schockmoment“, erzählt sie – immerhin war der Mann mit 40 Jahren fast doppelt so alt wie sie. Aber mit ein paar klärenden Worten habe sie die Situation entschärfen können.

Auch wenn der Gedanke des Netzwerks auf Gegenseitigkeit beruht, ist niemand gezwungen, jemandem seine Couch zu überlassen. Per E-Mail wird verabredet, ob ein Treffen zustande kommt.

Manche Nutzer bieten auch nur die Möglichkeit an, sie auf eine Tasse Kaffee zu treffen um den Reisenden ein paar Tipps vor Ort zu geben. Das sei auch besonders praktisch, um als Zugezogener in einer Stadt neue Leute kennenzulernen, wie Julia Weiß empfiehlt.

Darauf gekommen, sich beim Couchsurfing-Netzwerk anzumelden, ist sie durch Bekannte, die sie darauf ansprachen. Das war während ihres Freiwilligen Sozialen Jahrs in Lateinamerika. Dank der Gastfreundschaft der Menschen dort ist sie auch ganz ohne ein solches Netzwerk von Couch zu Couch gereist.

Die Idee weltweiter Gastfreundschaftsnetzwerke ist keineswegs neu; es gab sie auch schon vor der Erfindung des Internets: Die ersten entstanden bereits wenige Jahre nach Ende des zweiten Weltkriegs. 1949 gründeten Studenten aus Dänemark das Netzwerk „Open Door System of Work, Study and Travel“, das sich heute „Servas“ nennt. Es beruht vor allem auf dem Gedanken der Völkerverständigung. Damals noch als Register in Schriftform nutzbar, sind die meisten Angebote inzwischen als Online-Plattform zugänglich.