Essen. .
Es kommt gar nicht so häufig vor, dass Ärzte richtig zufrieden sind. Vor allem dann nicht, wenn es um Herzinfarkt und Herztod geht. Doch wenn von der Heinz Nixdorf Recall Studie die Rede ist, kann Prof. Raimund Erbel, Direktor der Klinik für Kardiologie an der Uniklinik Essen, seine Begeisterung kaum zurückhalten.
„Es ist eine Erfolgsgeschichte“, sagt er. Eine Geschichte, die am Sonntag in der Essener Philharmonie bei einer Wissenschaftsmatinee vor tausend geladenen Gästen ihr Zehnjähriges feiert. Eine Geschichte, die übrigens recht unkonventionell begann.
„Das Besondere war, dass wir die Menschen nicht in die Klinik baten, sondern in ein extra angemietetes Studienzentrum. Es war auch keiner mit weißem Kittel unterwegs. Die Atmosphäre war so wie beim Nachbarschaftsbesuch“, erinnert sich Erbel.
Studie bald die größte auf dem Gebiet
Wenn der Herz-Spezialist erzählt, wie man damals in den Einwohnermeldeämtern von Mülheim, Essen und Bochum anfragte, um Teilnehmer für eine Studie zu finden, muss er heute noch schmunzeln. „Manche Kollegen haben gar nicht glauben wollen, dass es wirklich eine wissenschaftliche Studie würde.“
Aber dann sollte alles ganz anders kommen. Dank der Studie, die vor allem von Nixdorf, aber auch von Instituten wie der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit über 6,6 Millionen Euro unterstützt wird, konnten 4800 Menschen zwischen 45 und 75 Jahren nach ihren Lebensgewohnheiten und Herzerkrankungen befragt werden. Die Studie wird damit bald eine der größten auf dem Gebiet sein.
Was ans Herz geht
Endlich also erhielt die Wissenschaft Ergebnisse aus einem Ballungsraum – zum Beispiel dieses: Besonders gefährlich fürs Herz ist der Feinstaub. Endlich konnten Vermutungen mit Zahlen unterfüttert werden. Wie ernähre ich mich richtig? Gibt es eine erbliche Vorbelastung für Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder den Infarkt? Welchen Einfluss haben Arbeit, Schlaf und Lärm auf die Gesundheit?
„Nicht auf alle Fragen haben wir einfache und schnelle Antworten gefunden. Aber in zehn Jahren haben wir viele Ursachen erkannt. Moderne Diagnoseverfahren, erstmalig in einer Studie an einer großen Teilnehmerzahl angewandt, helfen uns dabei“, so Karl-Heinz-Jöckel, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie.
Die Faktoren, die ans Herz gehen
Die Erkenntnis: Fettes Essen, Feinstaub, Stress, wenig Schlaf, wenig Bewegung – alles Faktoren, die ans Herz gehen. Nicht zu vergessen natürlich das Rauchen, so Erbel. „Im Ruhrgebiet rauchen vor allem viele junge Frauen. Wir wissen heute auch, wie sehr sich nicht nur die Arbeit, sondern auch die Familie auf die Gesundheit des Herzens auswirkt“, so Erbel. Zum Beispiel die Belastung durch Hausarbeit falle schon ins Gewicht.
In der Langzeitstudie wurden die Problemzonen aufgedeckt, die dann durch moderne Therapien beseitigt werden könnten. „Wenn wir die Risikofaktoren wie Rauchen, Übergewicht oder Bewegungsmangel minimieren, lässt sich das Risiko eines Herzinfarktes deutlich reduzieren.“
Sport und gesunde Ernährung seien das beste Mittel für die Herzgesundheit. Hinzu kommen Medikamente wie Blutverdünner oder so genannte Statine gegen den zu hohen Cholesterinwert. „Erst wenn das alles nicht hilft, denken wir über Operationen und Bypässe nach“, so Erbel. „Das wichtigste aber ist die Änderung des Lebensstils.“