Essen. . Zwei Filmemacher begleiteten mit ihrer Kamera OB Sauerland, Lopavent-Chef Schaller und die Eltern des getöteten Fabian – sie hinterfragen die Schuld bei der Loveparade-Katastrophe.

Ein gutes Jahr begleiteten die Filmemacher jene zwei Männer, deren Namen wie keine anderen für die Katastrophe auf der Loveparade stehen: Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland und Lopavent-Chef Rainer Schaller. Zwei, die juristisch nicht als Beschuldigte gelten, sich jedoch in unterschiedlicher Weise moralisch verantwortlich zeigen. Schaller von Anfang an, Sauerland erst jetzt und zögerlich. „Wir erlebten zwei Männer, die in einer Weise getroffen wurden, wie man es als Mensch kaum überstehen kann“, sagt Autor Maik Bialk.

Ist das nun eine Entschuldigung?

Zusammen mit Eva Müller hat er die WDR-Dokumentation „Die letzte Loveparade“ gedreht, die in den kommenden Wochen in ARD und WDR gezeigt wird. Und es ist ein eindrucksvoller Film geworden. Nicht nur wegen jenes für Schlagzeilen sorgenden Interviews mit Adolf Sauerland, in dem der erstmals von seiner moralischen Verantwortung spricht. Aber ist das nun eine Entschuldigung oder nicht? „Wir empfinden es als Entschuldigung. Es war Teil eines langen Gesprächs, und ihm ein Anliegen, das loszuwerden“, sagt Autorin Müller.

Wortwörtlich gesehen erklärt Sauerland, warum er vor einem Jahr „sprachlos“ gewesen sei und sagt: „Das, was Pleitgen als erster getan hat, hätte von mir kommen müssen, die Übernahme der moralischen Verantwortung und sich bei den Angehörigen zu entschuldigen.“ Streng genommen vor allem ein Blick zurück, das Bedauern einer verpassten Gelegenheit. Wie werden die Verletzten der Loveparade, die Angehörigen der 21 Toten das empfinden?

Zwei von ihnen, das Lüner Ehepaar Kathleen L. und Thomas H., ließen das WDR-Team teilhaben an seinem Leben danach, an der Trauer. Ihr Sohn Fabian, der gerade vor dem Abitur stand, wurde nur 18 Jahre alt. Zurück bleiben, verwaist, die Eltern, das Zimmer des Jungen in der elterlichen Wohnung, all die Erinnerungen, denen sich das Paar nicht entziehen kann. Der Versuch, das Zimmer unberührt zu lassen, endet im Herbst, als das Paar beschließt, umzuziehen. Ein Leben dort erscheint ihnen unmöglich.

Lächeln und weitermachen

Rückblenden. Videos des Veranstalters Lopavent zeigen die wogende Menge in den Minuten des Unglücks. Schreie, verzweifelte, gellen aus der Masse. Polizisten bilden Ketten im Tunnel, doch der Druck überwältigt sie. Die Katastrophe nimmt ihren Lauf. Am Tag danach: Szenen aus der verheerenden Pressekonferenz, in der einzig Rainer Schaller seine Mitverantwortung formuliert und das Aus für die Loveparade verkündet. Adolf Sauerland kann keinen persönlichen Fehler erkennen.

Das Leben danach. Die Kameras zeigen Sauerland Reden haltend, betont locker plaudernd erste Spatenstiche absolvierend, und wie er am Tag der offenen Tür sein Büro im Rathaus öffnet, etwas unsicher, aber letztendlich trotzig am Amt klebend. „Ich habe mir immer gesagt: Du musst so lange durchhalten, bis du allen zeigen kannst, dass diese Katastrophe nicht durch dein Verhalten entstanden ist“, begründet er. Also lächeln und weitermachen...

Rainer Schaller dagegen, der Geschäftsführer von Lopavent, ist abgetaucht. Ein kurzer Auftritt in Kerners Talkshow, danach sieht man ihn monatelang nicht mehr öffentlich. In „Die letzte Loveparade“ ist er wieder da. Sehr nachdenklich. Er, der Macher, arbeitet inzwischen erheblich weniger, hat sich in eine Psychotherapie begeben.

Der Rat der Therapeutin

Den Angehörigen schreibt er bald einen Brief, bekennt sich zu seiner Verantwortung und bittet um ein Gespräch. Das Treffen soll es geben. Vier Stunden, hinter verschlossenen Türen. Fabians Eltern sind dabei. Danach werden sie erzählen, wie Schaller gewirkt habe. Eingeschüchtert. Verängstigt. Er habe verstanden, dass er die Verantwortung für sein Unternehmen zu tragen habe, sagt Thomas H.. Mit Sauerland wollen er und seine Frau nicht sprechen.

An einem Maitag, morgens in aller Früh, wagt sich Rainer Schaller in den Tunnel an der Karl-Lehr-Straße. So wie es seine Therapeutin geraten hat. Auch Oberbürgermeister Sauerland hat sich nun erstmals mit Angehörigen von Opfern getroffen, heißt es. Eva Müller: „Er ist mit der Zeit nachdenklicher geworden.“