Ruhrgebiet. . Seit in Dortmund der Straßenstrich dicht gemacht worden ist, zittern die Nachbarstädte und die Freier fragen sich: Wo bleiben die Prostituierten? In Essen sind bereits vier Frauen aus Dortmund gesichtet worden.
„Mich würde interessieren, wo man die Damen denn nun finden kann. Wenn einer von euch die Mädels wo gesehen hat, bitte melden.“ („Genießer 75“)
Der Mann mit dem Pseudonym macht sich in einem einschlägigen Internet-Forum auf die Suche. So wie andere Männer. Seit Anfang der Woche fehlt ihnen etwas: der Straßenstrich. Dortmund hat ihn dicht gemacht. Weil er eine Dimension angenommen hatte, die nach Ansicht von Stadt und Polizei nicht mehr zu vertreten war. Innerhalb kurzer Zeit war die Zahl der Prostituierten von 60 auf 700 angestiegen, vor allem durch den Zuzug von Frauen und Zuhältern aus Bulgarien und Rumänien. Von dem Ende des Strichs erhoffen sich die Verantwortlichen ein Ende der Einwanderungswelle – und der unangenehmen Begleiterscheinungen wie zunehmender Kriminalität.
„Die Mädels wissen selbst noch nicht, wo sie sich demnächst präsentieren. Ist doch logisch, dass die sich jetzt erstmal die verschiedenen Möglichkeiten anschauen. Wenn Du aktuell Sex haben willst, dann fahr nach Essen. Da findest Du auch bekannte Gesichter.“ („Fabiroese“)
Die Ermittlungen laufen. Kunden tauschen sich im Internet aus. Wohin wandern die Huren von der Ravensberger Straße ab? Diese Frage beschäftigt auch die Polizei. In Dortmund und in den Nachbarstädten.
Sex gegen Geld in Privatwohnungen
Erste Erkenntnisse gibt es bereits. Gut möglich, dass einige nun illegal anschaffen. Freier berichten von eindeutigen Angeboten, die sie an anderen Stellen in der Nordstadt bekommen haben. Straßen rund um den Nordmarkt werden genannt, aber auch der Parkplatz eines Escort-Clubs, der als Kontakthof genutzt wird. Andere Frauen sollen jetzt in Privatwohnungen Sex gegen Geld anbieten.
Wie leergefegt war der Straßenstrich an Tag eins. Kein Wunder, bei so viel Polizeipräsenz. Dass sie sich verteilen werden, die Damen, über die Stadt, auf die Clubs und die Bordelle an der Linienstraße, davon geht man auch in der Dortmunder Mitternachtsmission aus, der seit 1918 bestehenden Beratungsstelle für Prostituierte. „Aber es gibt auch Signale, dass die Stadt ihr erstes Ziel erreicht, den weiteren Zuzug von Prostituierten aus Bulgarien und Rumänien zu verhindern“, sagt Beraterin Gisela Zohren. Sie höre das von den Frauen aus dem Milieu. Aber noch sei es recht früh, das einzuschätzen.
So konnte es nicht mehr weitergehen
Und so wie es vorher war, auf dem Straßenstrich, konnte es nicht mehr weitergehen. Sagt auch Frau Zohren. Seit 2007, seit verstärkt die Frauen aus Osteuropa zum Anschaffen kamen, oft unter Zwang, seien die hygienischen Zustände „unglaublich“ gewesen. Berge von Müll, Kondome, Papiertücher, Tampons. . . Trotz der Verrichtungsboxen sei es zu Vergewaltigungen gekommen, habe es Menschenhandel gegeben. Gelitten hätten auch die offiziell angemeldeten Huren, weil die Dumpingpreise der Osteuropäerinnen ihre Löhne drückten.
„Ich kann nur empfehlen, es (vorerst) nicht in Dortmund zu versuchen. Neben dem Bußgeld von 100 Euro kommt mit der Post ein bebildertes Infoschreiben zum Thema Geschlechtskrankheiten nach Hause.“ („Sunnyboy“)
In den anderen Ruhrgebietsstädten und bis hinein ins Rheinland beobachtet die Polizei die Entwicklungen in der Prostituiertenszene ganz genau. „Es wird einen Verdrängungsprozess geben“, prophezeit der Essener Polizeisprecher Ulrich Faßbender. Er und seine Kollegen aus Bochum, Gelsenkirchen, Duisburg und Düsseldorf berichten aber übereinstimmend, dass sie bislang davon in ihren Städten wenig spüren. Kleine Ausnahme: Auf dem Essener Strich sind in dieser Woche vier Huren aus Dortmund gezählt worden. Neben dem Essener gilt vor allem der Gelsenkirchener Straßenstrich als „eingespielt“ und „etabliert“. „Hoffentlich bleibt das so“, sagt Konrad Kordts von der Polizei Gelsenkirchen. In Düsseldorf, Bochum und Duisburg spielt der Straßenstrich dagegen nur eine Nebenrolle, hier gibt es käufliche Liebe meistens in Bordellen.
„Jungs, haltet die Augen auf und berichtet hier fleißig.“ („Blackdog“)
„Geht es noch dümmer? Die Polizei liest mit! Gut aufgepasst.“ („Aussteigerin2007“)
Bereits vor 2006, bevor in Dortmund die sogenannten Verrichtungsboxen auf dem Strich aufgestellt wurden, hatte die Mitternachtsmission einen Vorschlag gemacht, den Straßenstrich kontrollierbarer und sicherer zu machen: Er solle von einem im Milieu anerkannten Unternehmer professionell betrieben werden, mit einer Schranke abgetrennt, aber eben auch mit notwendigen Einrichtungen wie Toiletten, Umkleiden und einer Beratungsstelle. Die Stadt habe eine solche Einrichtung jedoch nicht gewünscht. „Sie wollte nicht als Zuhälter beschimpft werden“, sagt Gisela Zohren.