Essen. . Niemand redet gern über Schädlinge. Noch unangenehmer wird es, wenn man im eigenen Haus Ratten, Mäuse oder Kakerlaken entdeckt. Dann muss der Schädlingsbekämpfer ran. Und der scheut selbst vor dem Töten nicht zurück.

Alexander Gsell hat die Lizenz zum Töten. Das erzählt er mit einem Grinsen, aber nicht ohne Stolz. Er arbeitet da, wo es dunkel, feucht und dreckig ist. Meistens lauert er seinen Feinden in Kellern oder auf Dachböden auf, oft auch in Küchen und Vorratskammern. Der 36-Jährige ist Schädlingsbekämpfer, der wahre Freund und Helfer des Menschen.

„Egal, wo ich hinkomme, die Leute empfangen mich mit offenen Armen“, schwärmt Alexander Gsell. Er hat seinen Traumberuf gefunden, auch wenn Schädlingsbekämpfer nicht unbedingt ganz oben auf der „Was-ich-später-mal-werden-will-Liste“ auftaucht. Sein vierjähriger Sohn jedenfalls findet den Papa cool, vor allem wenn der ihn zu Einsätzen mitnimmt. Die sind nicht immer spektakulär, oft ist die Hauptaufgabe eines Schädlingsbekämpfers, Kunden zu beraten, ihnen die Angst vor Eindringlingen zu nehmen.

So ein Beratungsgespräch trägt manchmal sehr skurrile Züge. „Wenn ein Kunde panisch durch seine Wohnung rennt und sich dabei wie wild vor dem Gesicht herumwedelt, obwohl weit und breit kein Tier zu sehen ist, kann man eigentlich nur noch den Notarzt rufen“, sagt Firmenchef Thorsten Gsell trocken. Da das aber nicht die Aufgabe eines Schädlingsbekämpfers ist, müssen sich seine Mitarbeiter eben so gut wie möglich auf den Kunden einlassen.

Tabuthema Schädlinge

Knifflig wird es auch, wenn einer der „Techniker“, wie sie sich selber nennen, Zeuge von Missständen in Restaurants oder Bäckereien wird. „Wir können den Kunden nur Empfehlungen aussprechen, ob sie sich daran halten oder nicht, ist ihre Sache“, erklärt Thorsten Gsell. Man sei schließlich kein Denunziant.

So unauffällig Alexander Gsell eine Restaurantküche betritt, so dezent verlässt er sie auch wieder. Keine spezielle Berufskleidung, kein Schild mit überlebensgroßer Schabe auf dem Firmenwagen verraten, dass hier ein Schädlingsbekämpfer am Werk ist. „Über Schädlinge spricht man in der Gesellschaft nicht, sie verursachen Ekel und Angst“, sagt der Fachmann und fügt hinzu: „Deswegen braucht man in diesem Beruf auch viel Einfühlungsvermögen“.

Hummeln sind ein Problem

Seine Augen wandern über die Klingelschilder neben der Eingangstür eines Hochhauses. Zwei Stockwerke weiter oben öffnet ein Kind die Wohnungstür zum dunklen Hausflur. „Mama! Da ist jemand für dich, irgendwas mit Mäusen“, ruft das Mädchen. Die Mutter scheint perplex und bittet Alexander Gsell leise, an einem anderen Tag wiederzukommen. „Oh, Sie haben Besuch?“, fragt er während die Frau vorsichtig die Tür wieder schließt. „Ich Idiot sag auch noch, ich bin wegen der Mäuse da – das war ihr bestimmt unangenehm“, stöhnt Gsell und setzt sich wieder hinter das Steuer seines silbernen BMWs.

Die nächste Kundin freut sich dafür umso mehr. Auf ihrem Balkon in Essen-Werden hat sie ein vermeintliches Wespennest entdeckt. „Tut mir leid Frau G., das sind keine Wespen, das sind Hummeln -- jetzt haben wir ein Problem“, sagt der Schädlingsbekämpfer vorsichtig. Hummeln sind genau wie Hornissen artgeschützt, sie dürfen nicht beseitigt werden. Schon die Verlegung des Nestes ist schwierig. Dabei hatte sich der ehemalige Stuckateur schon so auf sein erstes Nest in dieser Saison gefreut.

Ratten verbluten innerlich

Weniger Glück als die goldschwarzen Brummer haben die Ratten vor einer Wohnsiedlung in Essen-Kray. Während sich Passanten noch über den Mann mit dem großen silbernen Koffer wundern, der auf einem Stück Rasen kniet und an losen Gehwegplatten rüttelt, laufen die Ratten direkt in ihr Verderben. In die Löcher, die Alexander Gsell als Ein- und Ausgänge der ungebetenen Gäste erkannt hat, legt er leuchtend blaue Briketts. Darin sind geschredderte Erdnüsse, die die Ratten anlocken sollen. Blutgerinnungshemmer lassen die Tiere innerlich verbluten. Oder, wie der Techniker es ausdrückt: „Die Ratten versterben.“

Was er an seinem Beruf am meisten liebt? Dass niemand Geheimnisse vor ihm hat. Er kennt alle Bereiche dieser Gesellschaft. Von Fassaden lässt er sich längst nicht mehr beeindrucken.