Hattingen. . Ein schwer lungenkranker Hattinger organisiert derzeit den größten Selbsthilfekongress für Lungenkranke in Europa.
Für ihn hatte der Tag kein Ende. Er und sein Taxi-Unternehmen. „Stress pur“, sagt Jens Lingemann aus Hattingen. Pausenlos könnte er erzählen, doch das geht nicht mehr. Seit langem bestimmt die Pause sein Leben.
Vor zehn, fünfzehn Jahren war das anders. Ein Macher macht keine Pausen. Doch jetzt geht es nicht mehr ohne. Jens Lingemann, der seine Sauerstoffflaschen immer mit einem Rollator vor sich herschiebt, der nie ohne seine Schläuche unterwegs ist, durch die ihm das lebensrettende Gas in die Nase gepustet wird.
Jens Lingemann, von dem die Ärzte sagen, dass er sehr schwer krank ist, sagt selbst: „Mir geht es gut. Ich fühle mich nicht schlecht. Habe aber effektiv ständig Atemnot.“ Beim Rasieren, beim Zähneputzen.
Lingemann leidet unter einer schweren Lungenerkrankung, dem Lungenemphysem, wie zehntausende andere Menschen auch. Ein Leiden, das vor allem durchs Rauchen ausgelöst wird. Auch Lingemann hat seine zwei Schachteln am Tag verqualmt, damals, als er glaubte, unverwundbar zu sein.
Heute ist er fünfzig Jahre alt, mittelgroß. Leichte Gewichtsprobleme habe er. Er, der mal Handballer, Schwimmer und Sportsmann in Person war. Mit 39 Jahren brach die Krankheit aus. Aus schleichender Atemnot wurde massive Atemnot. Übelkeit, Schwindel. Als er mit 42 Jahren zusammenbrach, musste er erkennen, dass er Hilfe brauchte.
„Wir haben ein Leben auf der Überholspur geführt“, sagt seine Frau. Heike Lingemann (46) denkt nie daran zu sagen, dass es früher besser war. Obwohl sie sich jetzt nur noch um ihren Mann kümmert. Das Taxi-Unternehmen, in dem auch sie gearbeitet hat, ist verkauft. Tag und Nacht steht sie dem Gatten zur Seite. „Die Dinge haben sich komplett geändert. Heute haben wir sogar mal Zeit, auf der Terrasse zu sitzen. Früher war so was undenkbar.“
Wenn man ihn so sieht, hier im Vereinsheim des TUS Hattingen, Treff der Selbsthilfegruppe, wirkt ihr Mann aber gar nicht nach Kaffeekränzchen. Herr Lingemann ist der hoch konzentrierte Organisator des „größten Selbsthilfekongresses Europas“. Im Grunde wieder Stress pur.
Vergangenes Jahr kamen 1500 Zuhörer, im Jahr davor 1700. Lingemann hofft jetzt auf 2000 Besucher. Bei den Referenten sei das Beste vom Besten auf dem Podium. „Die machen das umsonst“, sagt er – man spürt, dass es Lingemannsche Überzeugungsarbeit war. „Und es gibt viele kostenlose medizinische Tests für die Betroffenen.“
Ärzte haben keine Zeit
Wie schafft er das nur? Kriegt kaum Luft und hat zudem die Puste, als Vorsitzender der Selbsthilfegruppe „COPD Deutschland e.V.“ (chronisch-obstruktive Lungenerkrankung) die brennenden Fragen zu beantworten wie: „Was habe ich eigentlich für eine Krankheit?“ Die Ärzte hätten oft ja nicht die Zeit, sich so intensiv mit den Kranken zu befassen. Oder: „Ist die Krankheit heilbar?“ Ist sie nicht, sagt Prof. Helmut Teschler, Chef der Ruhrlandklinik Essen. Aber früh erkannt, könne man den Kranken oft gut helfen.
Viele Menschen, so Lingemann, trauten sich aus Scham nicht mehr vor die Haustür, „wegen der Sauerstoffflaschen oder der Nasenbrille. Doch wenn sie merken, dass es anderen auch so geht, fassen sie Mut“, sagt er, rückt die Sauerstoffbrille zurecht und geht raus an die frische Luft.