Duisburg. . „Schwer vorstellbar“ sei Willy Brandts Vision vom blauen Himmel über der Ruhr damals gewesen, erinnert sich

Hat Willy Brandt die Stimmung getroffen, als er den blauen Himmel über der Ruhr versprach?

Jochen Flasbarth: Brandt hat die Stimmung getroffen, aber auch das richtige Symbol: Das Ruhrgebiet, die Schwerindustrie Deutschlands.

Wurde sein Versprechen verwirklicht?

Es ist umgesetzt worden, was Brandt damals angekündigt hat. Das Ruhrgebiet verkörpert eine unglaubliche Erfolgsgeschichte des Umweltschutzes. Einer der Hauptschadstoffe, das Schwefeldioxid, haben wir im Ruhrgebiet und auch in Deutschland als Problem praktisch nicht mehr: Die Belastung ist um mehr als 90 Prozent zurückgegangen. Die Staubbelastung ist enorm zurückgegangen. Das gilt ebenso für die Schadstoffe in den Gewässern. Dass aus der Emscher jemals mehr werden würde als ein stinkender, dreckiger Abwasserkanal, konnten wir uns nicht vorstellen.

Wie sieht die Umweltbelastung im Revier heute aus?

Damals hatte man mit dem gröberen Staub zu tun. Heute ist es der Feinstaub aus der Industrie wie aus dem Verkehr. An vielen Stellen werden im Ruhrgebiet die Grenzwerte überschritten. Das gilt auch für Stickoxide. Diese Umweltbelastungen, die für die Gesundheit der Menschen sehr problematisch sind, hat man damals nicht gesehen, sie wurden von den großen sichtbaren Umweltproblemen überdeckt.

Nun gibt es Feinstaub in allen Großstädten ...

Ja. Aber der Feinstaub tritt im Ruhrgebiet recht gehäuft auf. Eine Möglichkeit, dieses Thema in den Griff zu bekommen, wäre eine großflächige Umweltzone, in die man nur mit grüner Plakette hineinfahren darf. Erst wenn dieses realisiert ist, zeigen Umweltzonen eine deutliche Wirkung.

Ist der Erfolg im Umweltschutz zu Lasten der Arbeitsplätze gegangen?

Als der Staub aus der Kupferhütte verschwand, haben wir das erst mal als Entlastung empfunden. Dann haben wir gemerkt, auch die Kupferhütte ist nicht mehr da. Sie wurde verlagert und mit ihr auch die Arbeitsplätze. Es hat also einen Export der Jobs und der Umweltprobleme gegeben. Wir haben daraus gelernt. Eine moderne Umweltpolitik achtet darauf, dass der Umweltschutz nicht zu Standortverlagerungen beiträgt.

Wird es durch den Atomausstieg neue Kohlekraftwerke im Ruhrgebiet geben?

Wir werden in der Übergangsphase durch den schnelleren Ausstieg aus der Atomenergie mehr Kohle verstromen, als wir das abgesehen haben. Wir werden auch den begonnenen Neubau von Kohlekraftwerken sicher zu Ende bringen. Ob das für Datteln gilt, kann ich nicht sagen. Wir im Umweltbundesamt halten einen darüber hinausgehenden Neubau von Kohlekraftwerken nicht für erforderlich. Für die neue Energiestruktur mit erneuerbaren Energien wird es vor allem einen Bedarf nach sehr flexiblen und hocheffizienten Gaskraftwerken geben. Und natürlich müssen und können wir noch mehr bei der Energieeffizienz erreichen.