Ruhrgebiet.. Ostern steht traditionell im Zeichen der Friedensbewegung. Gegen Krieg, aber auch gegen Atomwaffen und Atomenergie sind hunderte Menschen in Dortmund, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen und Bochum auf die Straße gegangen.

Beim diesjährigen Ostermarsch Rhein-Ruhr ging es an drei Tagen von Duisburg nach Dortmund, wo an Ostermontag die Abschlusskundgebung stattfand. Neben der klaren Ablehnung der Atomkraft hieß es auf den mitgebrachten Transparenten zudem „Nein zum Krieg“ verbunden mit der Forderung, den „Krieg gegen Libyen und Afghanistan stoppen“. Friedensaktivisten rollten auf dem Wilhelmplatz eine 49 qm große Regenbogenfahne aus - auf dem Tuch das Wort „Frieden“ in mehreren Sprachen gestickt. Weitere Forderung: „Für Frieden und eine Energiewende - gegen atomare Bedrohung“ oder „Weg mit dem Sozialabbau und Lohndumping“.

Mit viel Beifall wurden die Ostermärschler empfangen, die zu Fuß, mit dem Fahrrad, mit Leiterwagen, Kindern und Hunden fröhlich und gut gelaunt auf den Wilhelmplatz zogen. Ostermarsch-Urgestein Willi Hoffmeister ermahnte angesichts des strahlenden Sommerwetters im April: „Schöpfen wir das aus, was uns die Sonne und die Natur uns bietet“. Der rüstige 77-Jährige nahm an seinem 51. Ostermarsch teil. „Einige Teilnehmer“, so Hoffmeister gegenüber unserer Zeitung, „sind mit nach Gronau gefahren und protestieren dort“.

Der Dortmunder Bundestagsabgeordnete Marco Bülow, energiepolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, setzte sich für ein Abschalten der Atomkraftwerke ein: „Denn Atomkraft“, so Bülow, ist wegen des anfallenden Plutoniums überhaupt nicht friedlich“. Vielmehr sollte verstärkt auf Alternativen gesetzt werden, um nicht alle wichtigen Ressourcen zu verbrauchen. Bülow verurteilte zudem die Doppelmoral des drittgrößten Waffenexporteurs Deutschland hinein in alle Krisengebiete und möchte die Exportauflagen verschärfen.

„Hundert Prozent erneuerbare Energien sind möglich“

Viele Diskussionen, so der Bundestagsabgeordnete, hätten sich stets im Kreis gedreht: „Hundert Prozent erneuerbare Energien sind möglich. Dafür sollen wir uns intensiv einsetzen.“ Leider mache das Profitdenken in den Konzernen sofort viele Sachargumente platt, bedauerte Marco Bülow. „Wir müssen das Unmögliche wollen, um das Mögliche zu erzielen“, war sein konkreter Vorschlag an die Ostermärschler.

Felix Oekentorp, langjähriger Mitorganisator des Ostermarsches Rhein-Ruhr, war mit der Beteiligung „recht zufrieden“. Weiter möchte Oekentorp daran mitarbeiten, dass der Ostermarsch „eine Friedensdemonstration“ sei. Dies vor allem im Blick auf vermummte Neonazis, die vom Fenster eines Hauses am Wilhelmplatz die Kundgebungsteilnehmer filmten und fotografierten.

Beendet wurde der Ostermarsch mit einem Friedensfest im Wichernhaus an der Stollenstraße, wo Dortmunds DGB-Vorsitzende Jutta Reiter und Dr. Alex Rosen, Mitglied der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs (IPPNW) sprachen.

„RWE-Vorstand zum Aufräumen nach Fukushima“

Auch in Bochum wurden zuvor Forderungen laut: „Wir müssen den Herrschenden, den Regierenden Feuer unter dem Arsch machen, damit sie sich bewegen“, rief Klaus Kunold von der Bochumer Friedensbewegung am Montagvormittag den Ostermarschierern zu. Knapp 200 Menschen waren zum Erich-Brühmann-Haus nach Bochum-Werne gekommen, um gegen Atomkraft und Krieg zu demonstrieren. Vorneweg fuhr ein Auto, das einen Lautsprecher auf dem Dach hatte. Laut erschallte die Liedzeile: „Wir marschieren für die Welt, die von Waffen nichts mehr hält!“

Auf einer Spruchtafel stand: „RWE-Vorstand zum Aufräumen nach Fukushima.“ Auf einer anderen war zu lesen: „Die Gegner sind die Gleichen. Alle AKW abschalten! Krieg gegen Libyen und Afghanistan stoppen! Weg mit Sozialabbau und Lohndumping! Weg mit der Agenda 2010!“ Auf einem Luftballon war gedruckt: „Bevor es knallt: Ökostrom von Greenpeace Energy.“ Dazwischen wehten Fahnen von „Pax Christi“, der internationalen katholischen Friedensbewegung, des „Touristenvereins Die Naturfreunde“, und auch der DKP und MLPD. Diese beiden Parteien hatten zuvor eigene Info-Stände aufgebaut.

Klaus Kunold redete als Vorsitzender der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes (VVN). Er geißelte, dass die Atom-Lobby die Gefahren als hinnehmbares „Restrisiko“ abtue. “Wie dieses Restrisiko aussieht, können wir jeden Tag im Fernsehen erleben.“ Außerdem griff er die Bundesregierung an. Schwarz-Gelb, sagte er, sei ja „auf einmal dunkelgrün“. „Sind es Wendehälse?“

Einer der langjährigen Organisatoren des Bochumer Ostermarsches, Felix Oekentorp, kritisierte den Nato-Einsatz in Libyen scharf. „Kürzlich wurde Gaddafi noch aufgerüstet.“ Eine Rednerin der Friedensbewegung forderte am Mikrofon den völligen Verzicht auf Atomkraft: „Die militärische und die zivile Nutzung der Atomenergie sind nur zwei Seiten einer Medaille.“ Der Ausstieg aus atomarer Stromproduktion mindere aus das Risiko eines Atomkrieges.

Auftakt am Ostersamstag in Duisburg

Auch in Duisburg waren Krieg und Atomkraft die zwei Themen des Ostermarschs. 250 Menschen folgten dem Aufruf des Friedensforums Duisburg, der Deutschen Friedensgesellschaft und der Atomkraftgegner zum traditionellen Ostermarsch und kamen zur Auftaktveranstaltung am Ostersamstag in die Duisburger Innenstadt.

Der Krieg in Libyen war auch ein Thema vom Hauptredner Martin Hantke vom Verein „Informationsstelle Militarisierung“. In deutlichen Worten warf er dabei den Medien eine einseitige Berichterstattung und sogar Vertuschung vor. „Wir sollen nichts über den Schrecken und das Leid erfahren, das wir dorthin bringen.“ Weiter sagte Hantke, dass eher geopolitische und ökonomische Ziele der Grund für den Krieg seien, als humanitäre Hilfe. „Der Libyenkrieg ist ein Bombengeschäft für die Rüstungskonzerne.“ Generell sei eine militärische Intervention der falsche Weg.

Auch die Frage der Atomenergie behandelte der Friedensaktivist in seiner Rede. Unter Applaus und „Abschalten, Abschalten“-Rufen der Zuhörer forderte er „E.ON und RWE das Handwerk“ zu legen. Die Atomfrage sei letztlich auch eine Friedensfrage. Eine rein friedliche Nutzung der Atomkraft sei nicht möglich. Außerdem müssten alle Atomwaffen von deutschem Boden verbannt werden.

Die Rede kam insgesamt sehr gut an, gerade wenn es um Kernenergie ging. So war das Thema Atomkraft für viele der Besucher dann auch von besonderem Interesse. Mary Spoden, die das letzte Mal in den 80er Jahren auf dem Marsch war, meinte: „Ich bin gegen die Atomlobby und möchte die Atomgegner unterstützen.“ Genau wie Marion Langenfurth: „Ich bin wegen Fukushima hier. Das ist mein erstes Mal.“ Gleichzeitig war sie erstaunt, wie viele Informationen sie noch durch die Veranstaltung bekam.

Obwohl die Veranstalter selbst mit höchstens 200 Besuchern gerechnet hatten, hätten sich die Teilnehmer mehr Zulauf gewünscht. Langenfurth: „Ich finde es schade, dass nicht zehnmal so viele gekommen sind.“ Den Marsch durch die Innenstadt begleiteten dann noch etwa 140 Menschen zur Abschlussveranstaltung am Averdunkplatz. Dort forderte Eberhard Przyrembel von Pax Christi Deutschlands Austritt aus der NATO, Abrüstung und Entmilitarisierung.

Friedlich, aber laut in Essen

Ein Bochumer Friedensaktivist. (Foto: Monika Kirsch/ WAZ FotoPool)
Ein Bochumer Friedensaktivist. (Foto: Monika Kirsch/ WAZ FotoPool) © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool

Am Sonntag waren die Friedensaktivisten in Essen auf dem Willy-Brandt-Platz zusammengekommen. Etwa 200 Menschen de­monstrierten friedlich aber laut ge­gen die Bundeswehr im Einsatz, forderten den Abzug deu­tscher Truppen aus Afghanistan, das Ende von Atomwaffen und das Aus der Atomkraft. „Unseren Glauben an ei­ne friedliche, waffenfreie Welt lassen wir uns von Euch nicht ka­putt machen“, richtete sich Bernd Brack vom Essener Friedensforum an jene, die im Krieg ein Mittel zum Frieden sehen. Er forderte Solidarität für afrikanische Flüchtlinge, die auf der italienischen In­sel Lampedusa ankommen.

Mahnende Worte kamen von der Bundestagsabgeordneten Petra Hinz: „Gar nicht so viele Flugstunden von hier entfernt gibt es viele Kriegsgebiete.“ Sie war eines der wenigen sozialdemokratischen Ge­sichter auf dem Platz, der überwiegend von Anhängern der des Friedensforums, der DKP und Linken besucht wurde.

Später ra­delten die Aktivisten auf Fahrrädern, de­koriert mit Transparenten und Luftballons, zu Kundgebungen nach Gelsenkirchen, Wattenscheid, Herne und Bo­chum. Damit sie gehört wurden, hallte über Lautsprecher ein Lied der Friedensbewegung: „Das weiche Wasser...“

Ostermarsch durch Gelsenkirchen

Die Bürger waren am Sonntag zu Fuß, auf dem Fahrrad und dem Motorrad unterwegs und machten auch im Gelsenkirchener Stadtgarten halt. Auch die aktuelle Atom-Debatte lockte rund 150 Teilnehmer mehr als im Jahr 2010 auf die Straße.

Die grinsende Sonne auf gelbem Grund mit der Botschaft “Atomkraft? Nein Danke!“ hat Hochkonjunktur. Am Ostersonntag wehte das Symbol auf Fahnen gleich zigfach durch Gelsenkirchen.

150 Teilnehmer mehr als 2010

„Die Forderungen haben wir bereits im Januar festgelegt, da konnten wir noch nicht ahnen, dass das Thema Atomkraft nach dem Unglück von Fukushima so eine Aktualität bekommt“, so Leo Kowald vom Friedensforum Gelsenkirchen, das für organisatorischen Part in Gelsenkirchen zuständig ist.

Etwa 150 Teilnehmer, mehr als im vergangenen Jahr, hatten sich am Sonntag dem traditionellen Fahrradkorso angeschlossen. Am Morgen startete der Tross von Essen nach Gelsenkirchen. Am Musikpavillon des Stadtgartens, wo Tags zuvor das „O-Ton Festival“ als musikalischer Beitrag für Frieden statt fand, wurden die Protestler auf ihren bunt geschmückten Rädern von 100 weiteren Besuchern mit Applaus in Empfang genommen.

Gemeinsam marschierten die Teilnehmer nach einer kurzen Begrüßung zum Mahnmal für die Opfer des Faschismus, um dort einen Kranz als Symbol des Gedenkens niederzulegen. „Heute kommt der Krieg wieder und zwar auf leisen, humanitären Sohlen“, mahnte Karmelita Gaertig vom Friedensforum Gelsenkirchen mit Blick auf die militärischen Einsätze in aller Welt.

Ostermarsch-Urgestein Willi Hoffmeister, der bereits beim ersten Ostermarsch 1961 mit dabei war, richtete ein Grußwort an die Besucher. Sichtlich bewegt rief der 77-Jährige die Ostermarschierer zu einer Schweigeminute für die Opfer des Faschismus auf.

10.000 demonstrieren in Gronau

Die größten Ostermärsche gab es nach Angaben der Veranstalter im westfälischen Gronau mit etwa 10.000 und in Berlin mit rund 4.000 Demonstranten. Die Polizei hatte in Gronau, dem Sitz der einzigen kommerzielle Urananreicherungsanlage in der Bundesrepublik, allerdings nur etwa 5.000 Protestierende gezählt. Die Teilnehmer in Gronau forderten die sofortige Stilllegung aller Atomanlagen und die Vernichtung aller Atomwaffen. In den Protestzug reihten sich auch 65 Traktoren ein.

Über 100.000 Menschen weltweit

Weltweit haben weit über 100.000 Menschen für den Ausstieg aus der Atomkraft und gegen Krieg demonstriert. An Kundgebungen anlässlich des 25. Jahrestages der Katastrophe von Tschernobyl und dem Unfall im japanischen Fukushima beteiligten sich nach Veranstalterangaben am Montag über 120.000 Menschen. Mehrere Zehntausend waren nach Veranstalterangaben bei den diesjährigen Ostermärschen mit dabei.

Jeweils 10.000 Demonstranten oder mehr nahmen am Montag an Demonstrationen in Biblis, Gundremmingen, Krümmel, Grafenrheinfeld und Grohnde teil, wie die Veranstalter mitteilten. Die Innenstadt von Biblis habe wegen Überfüllung gesperrt werden müssen, hieß es in einer Erklärung. Auch in Brunsbüttel, Philippsburg und Salzgitter versammelten sich demnach mehrere tausend Demonstranten. In ganz Deutschland fuhren den Angaben zufolge Menschen mit Bussen, Autos, Fahrrad-Konvois und Treckern zu den Demonstrationen.

Auf der Rheinbrücke zwischen Straßburg und Kehl forderten 700 Deutsche und Franzosen laut Polizei ein Ende der Atomkraft und gedachten der Tschernobyl-Katastrophe vor 25 Jahren. Viele schwenkten ukrainische und japanische Fahnen in Anlehnung an das Reaktorunglück in Tschernobyl 1986 sowie an die Katastrophe von Fukushima. (mit Material von dapd/afp)