Ruhrgebiet.. Zwei Wochen nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster über Raucherclubs ist alles beim Alten. Nur wenige Städte verschärfen die Kontrollen. Sie warten das neue Gesetz ab.

Halb zehn Uhr früh, und die Sonne scheint der Friesenstube. Zehn Gäste, zwei Bierchen, sieben Kaffeepötte, sieben Zigaretten; Christel Bednarz natürlich wieder mittendrin mit ihrem gemischten Dackel Darling: „Ich wohn’ hier schräg gegenüber, deshalb landen wir immer hier.“

Die 65-jährige Rentnerin aus Gelsenkirchen gehört zu den Gründungsmitgliedern des Raucherclubs hier in der kleinen Kneipe, allerdings hat jetzt schon länger niemand mehr nach dem Mitgliedsausweis gefragt. Wäre auch weitestgehend sinnlos. Wer weiß, wo der jetzt wieder ist. „Irgendwo zu Hause“, sagt sie.

Triumph über einen Scheinriesen

Zwei Wochen ist es her, da entschied das Oberverwaltungsgericht Münster im Eilverfahren, ein Raucherclub in Köln könne nicht weiter bestehen. Er sei nur ein Schlupfloch, um das Rauchverbot in Kneipen zu umgehen. Wieweit das gültig ist über den einen Kölner Club hinaus, darüber wird seitdem gestritten: „Alles erstmal beim Alten belassen“, rät der Gaststättenverband, während das Gesundheitsministerium von NRW die Wirte aufruft, ihre Raucherclubs aufzugeben und die Ordnungsämter aufruft, schärfer zu kontrollieren. Doch wenn man sich mal ein bisschen konzentriert in all dem Feldgeschrei, fällt sofort zweierlei auf.

Erstens: „Riegel vorgeschoben“, sagt die Ministerin, doch was als großer Sieg über das Rauchen verkauft wird, ist allenfalls der Triumph über einen Scheinriesen. Es gibt nämlich viel weniger Raucherclubs, als man so annimmt. 2008 waren sie der Königsweg unter den Schleichwegen, wenn man das so verknüpfen kann; aber heute sitzen die meisten Kneipen, in denen geraucht wird, längst unter einem anderen schützenden Dach: der Ausnahmeregelung für die berühmte 75-Quadratmeter-Einraumkneipe.

Wie etwa die 49,6-Quadratmeter-Friesenstube. Deshalb müssen auch keine Mitgliedsausweise mehr kontrolliert, keine Listen mehr geführt werden. „Wenn der Gesetzgeber das wieder verlangen würde, könnten wir sofort wieder anfangen“, sagt der Wirt Ulf Timmermann – Satzung, Ausweise, Einverständniserklärungen, alles hat er noch ordnerfüllend hinter der Theke.

Verkehrskontrollen, Zuführungen . . .

Zweitens: Die Ordnungsämter haben gar nicht die Kapazität, systematisch und aus eigener Initiative durch die Kneipen zu ziehen. Bonn und Köln schreiben ihren Raucherclub-Wirten nun erst einmal mahnende Briefe und gelten damit schon als scharf; die Mehrheitsmeinung trifft da schon eher Reinhard Firlej: „Wir gehen jetzt nicht los und gucken uns anderthalbtausend Kneipen an“, sagt der Leiter des Bochumer Ordnungsamtes: „Wir haben einen Außendienst von 17 Leuten.“

Und die 17 sind zuständig für eine beeindruckende Liste von Aufgaben, von „Adressenermittlung“ bis „Zuführung schulmüder Kinder“; dazwischen Petitessen wie Verkehrskontrolle, Kontrolle aller Märkte und aller Gewerbe. Wie bisher, so Firlej, setze man auf „soziale Kontrolle“ und gehe nachsehen, wenn sich jemand beschwere über Raucher in Kneipen.

„Abwarten“ heißt es auch in Witten und Rheinberg, und die Stadt Düsseldorf sieht ebenfalls keinen Grund, „Konzeption, Häufigkeit und Intensität der Gaststättenüberprüfung“ zu ändern. Zumal die Landesregierung eh an einem neuen Nichtraucherschutzgesetz arbeitet, das schärfer ausfällt. Dann wird man weitersehen.

Mehr Verstöße als Beschwerden

Vielleicht wird das Thema aber auch total überschätzt. Bochum: circa eine Beschwerde im Monat. Oberhausen: 15 Beschwerden im ganzen Jahr 2010. Gelsenkirchen: 15 Beschwerden 2009 und 2010 zusammen. Andererseits fand die vergleichsweise kleine Stadt Kamen bei Kontrollen ohne Anlass in wenigen Wochen 16 Verstöße.

Promi-Raucher aufgepasst!

.
. © ddp | ddp
War immerhin
War immerhin "Pfeifenraucher des Jahres 2000": Literaturnobelpreisträger Günter Grass. © Unbekannt | Unbekannt
Ein leidenschaftlicher Kettenraucher: Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt.
Ein leidenschaftlicher Kettenraucher: Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt. © imago stock&people | imago stock&people
Und auch er war Kanzler und Pfeifenraucher: Helmut Kohl.
Und auch er war Kanzler und Pfeifenraucher: Helmut Kohl. © imago stock&people | imago stock&people
Raucht weiter - trotz fünf Bypässen: Schauspieler Gérard Depardieu.
Raucht weiter - trotz fünf Bypässen: Schauspieler Gérard Depardieu. © Unbekannt | Unbekannt
Kann die Finger nicht von den Zigarren lassen: Lebemann Rudi Assauer.
Kann die Finger nicht von den Zigarren lassen: Lebemann Rudi Assauer. © imago sportfotodienst imago | imago sportfotodienst imago
Einer guten Zigarre kann er nicht widerstehen: Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder.
Einer guten Zigarre kann er nicht widerstehen: Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder. © Unbekannt | Unbekannt
Rauchzeichen gibt er gern mal von sich: Ex-SPD-Chef Franz Müntefering.
Rauchzeichen gibt er gern mal von sich: Ex-SPD-Chef Franz Müntefering. © ddp | ddp
Ein Pfeifchen in Ehren... Ex-Verteidigungsminister Peter Struck mag es gemütlich.
Ein Pfeifchen in Ehren... Ex-Verteidigungsminister Peter Struck mag es gemütlich. © WP | WP
Ein bekennender Zigarrenfan: Panik-Rocker Udo Lindenberg.
Ein bekennender Zigarrenfan: Panik-Rocker Udo Lindenberg. © WP | WP
Zum Aufhören ist es nie zu spät: Schauspieler Johannes Heesters trennte sich mit 103 Jahren vom geliebten Glimmstengel.
Zum Aufhören ist es nie zu spät: Schauspieler Johannes Heesters trennte sich mit 103 Jahren vom geliebten Glimmstengel. © ddp | ddp
Legt die Pfeife nur selten aus der Hand: Autor Siegfried Lenz.
Legt die Pfeife nur selten aus der Hand: Autor Siegfried Lenz. © ddp | ddp
Auch sie könnte in England ein Problem bekommen: Top-Model Kate Moss zieht gern mal an der Fluppe.
Auch sie könnte in England ein Problem bekommen: Top-Model Kate Moss zieht gern mal an der Fluppe. © imago stock&people | imago stock&people
1/13

Deutlich mehr Verstöße als Beschwerden, da könnte man insgesamt glatt auf den Gedanken kommen, dass Nichtraucher und Raucher besser mitein­ander klar kommen, als das Gesetz es vorschreibt. Oder, um noch eine andere Frau aus der Friesenstube zu zitieren: „Wenn man in eine Raucherkneipe reingeht . . . Steht ja dran!“