Gelsenkirchen. . Von Trompeten-Willy, den Treuen, den Zweifelnden und den Gegnern: Wie es Felix Magath - der Kopfmensch, Schachspieler, Stratege - schaffte, Schalkes Anhängerschaft zu spalten.

Im Sommer 2009 nahm Wilhelm Plenkers seinen ganzen Mut zusammen. Er schrieb einen Brief, mit dem er sich viel Mühe gab, Adressat war der neue starke Mann beim FC Schalke 04: Trainer, Manager und Vorstandsmitglied Felix Magath. „Ich habe den Brief persönlich auf der Geschäftsstelle abgegeben und genau gesehen, wie er in das Fach von Herrn Magath gelegt wurde“, erzählt Wilhelm Plenkers.

Müssten wir uns einen Schalke-Fan malen, das Bild würde wohl stark diesem 49-jährigen Gelsenkirchener ähneln. Trikot, Kutte, Kappe, Schal – am Mann das ganze Sammelsurium der Fan-Utensilien, auf der Brust und im Herzen das S04-Symbol. Seit mehr als 30 Jahren steht Wilhelm Plenkers in der Kurve, erst im Parkstadion, jetzt in der Arena. „Hab’ in der ganzen Zeit vielleicht zehn, höchstens 20 Heimspiele verpasst“, sagt er stolz. Wenn er sich in den Finger ritzt, tropft königsblaues Blut heraus.

Willy ist der Mann, der zur Attacke bläst

Auf Schalke nennen sie ihn „Trompeten-Willy“. Ohne sein Instrument käme er sich in der Nordkurve vor wie Sebastian Vettel als Fußgänger auf der Formel-1-Piste. Willy ist der Mann, der zur Attacke bläst. Wer den Kopf schüttelt und die Nase rümpft angesichts dessen, was er und viele tausend Gleichgesinnte Woche für Woche inbrünstig zelebrieren, dem hält er Philosophisches entgegen; „Schalke muss man leben, um es zu verstehen.“

Wilhelm Plenkers. Seit 1979 ist der gelernte Dachdecker Schalke-Fan, besucht jedes Heimspiel und feuert seine Elf mit Fanfarenstößen an. (Foto: Martin Möller / WAZ FotoPool)
Wilhelm Plenkers. Seit 1979 ist der gelernte Dachdecker Schalke-Fan, besucht jedes Heimspiel und feuert seine Elf mit Fanfarenstößen an. (Foto: Martin Möller / WAZ FotoPool) © WAZ FotoPool

Muss man? Felix Magath, Kopfmensch, Schachspieler, Stratege, würde lieber mit Domestos gurgeln, als mit dem Bierbecher auf dem Tisch zu tanzen und dabei „Blau und Weiß, wie lieb ich dich“ zu singen. Bewusst umgibt sich der 57-Jährige mit der Aura der Unnahbarkeit. Er könnte im Karneval als Kaktus gehen, ohne sich verkleiden zu müssen. „Ich bin kein Trainer zum Knuddeln und Liebhaben“, hat er im Dezember nach dem 2:0 gegen Bayern München betont, „und ich sehe auch kein Problem darin!“

Nach Siegen dürfen Trainer alles sagen

Magath aber scheiterte, trotz der Erfolge in zwei Pokal-Wettbewerben. Er unterlag dem Irrtum, Anpassung sei Schalkes Pflicht, nicht seine. Merkwürdige Personalentscheidungen, fehlende Kommunikation, autoritärer Führungsstil: Das alles gehört zu Schalke wie Designerschmuck zum Bergmann. Einflussreiche Fangruppen protestierten, Aufsichtsrats-Chef Clemens Tönnies zürnte, Magath habe es „versäumt, die Fans mitzunehmen“. Magath konterte mit Facebook, warb erfolgreich um Internet-Freunde. Genialer Coup? Durchschaubare PR-Aktion? Schalkes Anhängerschaft blieb gespalten, bis heute.

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    Es gibt die Treuen, zum Beispiel Harald Kischel. „Als Magath kam, lagen wir im Dreck“, sagt der 53-Jährige aus Dormagen, der im Januar sogar Urlaub nahm, um seine Blau-Weißen ins Trainingslager in der Türkei zu begleiten. „Magath lässt sich nicht in seine Arbeit hineinreden, ich bin weiter überzeugt von ihm.“

    Seinen Dickkopf durchgesetzt

    Es gibt die Zweifelnden, zum Beispiel Achim Hanssen. Auch der 45-jährige Wittener ist Schalker aus Leidenschaft, auch er wünscht sich „einen Trainer, der durchgreift“. Die Nachrichten über Magaths Zerwürfnis mit der Mannschaft irritieren ihn: „Normalerweise würde ich sagen, Magath müsste bleiben, jetzt bin ich hin- und hergerissen.“

    Und es gibt die Gegner, zum Beispiel Uwe Hoch, Mitglied des Fanclubs Ruhrpott-Erle, „Vorher war ich schon skeptisch wegen Magaths Umgangsformen, er hat nach der guten ersten Saison nur noch seinen Dickkopf durchgesetzt. Wenn sich jetzt die Spieler darüber beschweren, dann gibt es keine Basis mehr“, urteilt der 47-Jährige.

    „Verrückte Schalker Welt“

    Wilhelm Plenkers will all die Unruhe nicht begreifen. „Wir sind unter den acht besten Mannschaften Europas,“ sagt der Mann mit der Trompete, „und trotzdem wird über den Trainer diskutiert. Verrückte Schalker Welt.“

    In dem Brief an Magath hatte er damals angeboten, „so gut es geht“ die Lücke zu füllen, die durch den Tod des legendären Teambetreuers Charly Neumann entstanden war. „Charly war Bindeglied zwischen Trainer, Mannschaft und Fans“, sagt Wilhelm Plenkers. „Wir haben Fans, die ständig aus dem Ausland anreisen und tausend Euro für ein Spiel ausgeben. Das wissen die Spieler doch gar nicht. Ich dachte, ich könnte der Mannschaft und dem Trainer nahebringen, was Fans für Schalke alles auf sich nehmen.“

    Rudi Assauer kaufte dem Willy einst eine neue Trompete. Felix Magath hat auf den Brief nicht geantwortet.

    Liegt Schalke mit dem Aus für Magath richtig?

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