Ruhrgebiet. . Die Anmeldezahlen für die Hauptschulen im Ruhrgebiet sind dramatisch gesunken. Die Lehrer-Gewerkschaft gibt der Hauptschule noch maximal sechs Jahre.

Wenn es in diesen Tagen einen Hauptschul-Rektor im Ruhrgebiet gibt, der sich entspannt zurücklehnen könnte, dann ist er es. Reiner Düchting, Chef der bischöflichen Hauptschule in Essen, kennt zwar die Sorgen seiner Kollegen, aber eben nur vom Hören. Landauf, landab zittern diese nämlich um ihre Existenz. Die Hauptschule ist out. Da können sich deren Lehrer noch so engagieren. Und Düchting weiß, weshalb seine Schule mit drei neuen Klassen so viel besser dasteht: „Bei der Anmeldung fragen die Eltern nach den Chancen, auf die Realschule zu wechseln, das Abitur zu machen. Das ist ihnen wichtig“.

Die bischöfliche Hauptschule ist nämlich Teil eines Schulzentrums inklusive Realschule sowie Gymnasium und bekannt dafür, dass man selbst im laufenden Schuljahr bei entsprechenden Noten unbürokratisch zur Realschule oder auch zum Gymnasium wechseln kann. „Eltern wollen für ihre Kinder eine Schulform, die auch die Option auf die Hochschulreife bietet. Sie argumentieren, ‘mein Kind ist im Moment noch nicht so weit, aber vielleicht entwickelt es sich ja noch“, sagt auch Bochums Dezernent Michael Townsend.

Nur 77 der insgesamt 2750 Anmeldungen für weiterführende Schulen in Bochum galten der Hauptschule. „Eine dramatische Situation“, sagt Townsend. Eindeutiger, tatsächlich, könnte das Elternvotum kaum ausfallen. Von den sieben Hauptschulen der Stadt haben lediglich fünf noch Anmeldungen entgegengenommen. Gerade gestern beschloss der Stadtrat das Ende einer weiteren Hauptschule. Im kommenden Schuljahr beteiligt sich Bochum deshalb als eine von 17 Städten an dem nordrhein-westfälischen Modellversuch der Einheitsschule, auf der Schüler länger zusammen unterrichtet werden.

Das Sterben einer ungeliebten Schule: In Duisburg sank die Zahl der Anmeldungen für die elf noch bestehenden Hauptschulen von 263 (2010) auf 96. In Essen, wo das Anmeldeverfahren noch nicht abgeschlossen ist, zeigt der Vergleich mit dem Vorjahr eine Reduzierung um 25 Prozent. 142 Anmeldungen liegen vor für sieben Hauptschulen, wovon allein 60 auf die bischöfliche in Stoppenberg entfallen. In den 70er-Jahren zählte Essen mehr als 40 Hauptschulen. „Die Essener“, sagt deren Schuldezernent Peter Renzel, „wollen die Schulart nicht mehr“.

Und auch Dagmar Goch, Hattingens Bürgermeisterin (SPD) und selbst Pädagogin, war keinesfalls überrascht, als sie die neuesten Zahlen ihrer Stadt erfuhr. Gerade einmal sieben Kinder wollen auf die Hauptschule gehen. Eindeutig zu wenig. Schon im Vorfeld hatte sich Goch bemüht, bei der Bezirksregierung Arnsberg zum dritten Mal in Folge eine Sondergenehmigung zu bekommen, um auch mit weniger als 18 Fünftklässlern den Betrieb aufrecht zu erhalten. Vergeblich.

„Es ist für eine Stadt nicht schön, wenn sie nicht das ganze Spektrum des Schulsystems anbieten kann“, sagt Goch, sie sei jedoch schon lange der Meinung, dass die Hauptschule in diesem System zur Restschule verkümmere. Nun bleibt den sieben angemeldeten Kindern nichts anderes, als ins benachbarte Sprockhövel zu fahren oder die Hattinger Gesamtschule zu besuchen. „Sieben Kinder müssten wir da noch aufnehmen können“, sagt Goch.

Als sehr bedauerlich wird diese Entwicklung beim Elternrat Hauptschule empfunden. „Schade, ohne die Hauptschule wird es nicht gehen“, sagt deren Vorsitzender Reiner Kehr und lobt die kleinen Klassen, die engagierten Lehrer. Doch auch sein Verband leidet unter dem Desinteresse. Kehr hat den Job nur deshalb nicht niedergelegt, weil sich niemand anderes findet, der sich engagieren will.

„Ich gebe der Hauptschule noch maximal sechs Jahre“, sagt Hans-Wilhelm Bernhard von der Landesfachgruppe Hauptschule bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Die Hauptschule sei „verbrannt“, man brauche aber dennoch alles, was sie ausmache. Die besondere Förderung der Schüler, die Berufsorientierung. Es komme ihm fast wie Ironie vor, dass die untergehende Schulform um so mehr von anderen gelobt werde, je schlechter es ihr ginge. „Die wollen unsere Schüler nicht“, vermutet Bernhard.

„Die Schüler und Schülerinnen sind da, egal wie die Schule heißt“, sagt auch Essens Schuldezernent Renzel und macht keinen Hehl aus seiner persönlichen Sympathie für diese Schulform. „Sie sprechen mit einem ehemaligen Hauptschüler!“, sagt er, der über Berufsfachschule und Fachabitur an die Uni kam.