Bottrop.. Trinken , so viel man will, und dann die Piste herunterrasen. Das ist im Alpincenter Bottrop dank All-inclusive-Ticket möglich. Der Mix aus Flatrate-Party und Wintersport ist gefährlich: Schwere Unfälle und viele Verletzungen sind die Folge.
Die Botschaft ist eindeutig: Das Alpincenter Bottrop wirbt damit, das „einzige All-inclusive-Skigebiet der Welt“ zu sein. Wer einmal zahlt, bekommt Ski- oder Snowboard-Ausrüstung, Zugang zur Piste – und Essen und Getränke ohne Grenzen. Auch Bier und Wein.
Die Folgen von übermäßigen Alkoholgenuss sind insbesondere ab dem späten Nachmittag und an den Wochenenden zu sehen: Snowboarder, die im Schnee verkanten, obwohl sie den Sport seit Jahren beherrschen. Skifahrer, die gleich mehrmals bei dem Versuch stürzen, auf die Förderbänder zu gelangen, die die Sportler zum Gipfel schweben lassen. Weitaus dramatischer: Der Mix aus Wintersport und Flatrate-Party führt regelmäßig zu schweren Unfällen und Verletzungen.
Vor allem am Wochenende verletzen sich viele Sportler
Dr. Jörg Sensfuß kennt das Problem. Der Unfallchirurg und Leitende Oberarzt des Knappschaftskrankenhauses Bottrop bekommt im Schnitt mindestens ein Mal pro Woche einen schwerverletzten Sportler aus dem Alpincenter in die Unfallchirurgie geliefert. „Die Patienten haben vor allem Beinbrüche, Kreuzbandrisse oder Frakturen am Arm und an der Hand“, so Sensfuß. Mehrmals in der Woche kommen laut Sensfuß außerdem Sportler mit kleineren Verletzungen aus dem Alpincenter ins Krankenhaus. Prellungen, Verstauchungen und Kratzer sind in der Skihalle an der Tagesordnung.
Dass die Verletzten besonders oft Alkohol im Blut haben, möchte Dr. Sensfuß nicht bestätigen. Nur so viel: „Wir haben Patienten, die haben nichts getrunken. Wir haben aber auch schon Patienten behandelt, die einen Promillewert von über 2,0 aufgewiesen haben.“ Auffällig dabei: Die Verletzungen ereignen sich laut Sensfuß besonders häufig am Wochenende – und spät am Abend. Auch wenn das Alpincenter All-inclusive-Wochenend-Pakete bewirbt oder anbietet, steige die Zahl der Patientenaufnahmen im Bottroper Knappschaftskrankenhaus.
„Alkohol spielt nicht selten eine Rolle“
Ähnlich äußert sich Detlev Kubla. Der Abteilungsleiter des Amts für Zivilschutz und Rettungsdienst Bottrop sagt: „Wir fahren regelmäßig zu Noteinsätzen ins Alpincenter. Alkohol spielt nicht selten eine Rolle.“
So war es auch bei Frank Nowakowski. Der Gelsenkirchener hatte zuvor schon öfter das Alpincenter besucht. Wenn, dann immer am Dienstagabend. Die Pisten sind an dem Tag relativ leer, das Partyvolk noch nicht wieder in Feierlaune. Im Dezember ließ sich Nowakowski von Arbeitskollegen überreden, an einem Freitagabend die Skier anzuschnallen. Gegen 22 Uhr endete der Abend in einem Alptraum. Nowakowski knallt mit einem anderen Wintersportler zusammen, mit einem Schädelbruch wird der 46-Jährige ins Krankenhaus eingeliefert. Dreieinhalb Wochen liegt er im Koma. Weihnachten und Neujahr verbringt er auf der Intensivstation.
Der andere Unfallteilnehmer flüchtete
An den Unfall kann er sich danach nicht erinnern. Seine Arbeitskollegen müssen ihn die Vorkommnisse schildern. „Es war wohl so, dass ein Skifahrer meine Bahn kreuzte und ohne ersichtlichen Grund hinfiel“, sagt Nowakowski. „Ich habe versucht, ihm auszuweichen, da streckte er seine Beine raus.“ Nowakowski stürzte, der andere Unfallteilnehmer flüchtete. Die Arbeitskollegen des Gelsenkircheners mussten ihn ziehen lassen, sie riefen den Notarzt und kümmerten sich um ihren Freund.
„Ich hatte zum Teil auch selbst Schuld“, sagt Nowakowski. „Ich hatte keinen Helm auf.“ Der Gelsenkirchener hatte Glück im Unglück. Er hat noch keinen Geschmacks- und Geruchssinn, ansonsten geht es ihm wieder gut. Wenn er vollkommen genesen ist, will er wieder auf die Piste. Mit Helm, aber nicht am Wochenende.
Keine Warnschilder
„Wir arbeiten ständig daran, die Strecke noch sicherer zu machen“, sagt Uwe Dietz, verantwortlich für Presseanfragen zum Alpincenter Bottrop. An gefährlichen Streckenpunkten habe man Polster und Netze aufgestellt, die die Stürze abfangen sollen. Außerdem habe man die Pistenzeiten von 0 Uhr nachts auf 23 Uhr heruntergesenkt.
Dietz bestätigt, dass in etwa ein Sportler pro Woche schwer stürzt. „Nach unseren Erkenntnissen ist die häufigste Unfallursache nicht der Alkoholkonsum, sondern Selbstüberschätzung.“ Im Vergleich zu Skigebieten im Freien sei das Alpincenter aber nicht gefährlicher, betont Dietz. Generell hätten alle Mitarbeiter die Anweisung betrunkene Sportler nicht auf die Piste zu lassen - bzw. im Verleih gar nicht erst an Material kommen zu lassen. „Wir haben keine Verbotsschilder in der Halle, die sagen, dass man betrunken nicht fahren darf, das stimmt“, gibt er zu, schränkt aber ein: „Im Straßenverkehr gibt es aber ja auch keine Alkohol-Verbots-Schilder.“
An der All-inclusive-Strategie will das Alpincenter nichts ändern. Auch, weil das Modell wirtschaftlich sehr erfolgreich ist. „Wir konnten viele neue Gäste gewinnen. Aus Deutschland, aber auch aus den Niederlanden“, sagt Dietz. Es sei aber nicht so, dass nur feierwilliges Publikum angezogen werden. Auch Familien fühlten sich angesprochen, beteuert er.