Bonn.

Abu Dujana, Yassin und Mounir Chouka und Pierre Vogel stehen für islamistische Propaganda. Sie verdammen die Kuffar, die Ungläubigen. Sie halten „Frohe Weihnachten und guten Rutsch zu wünschen“ und auch das Silvesterfeiern für „gefährlich“, wie es Abu Dujana predigt. Sie sind dafür, in Deutschland das islamische Strafrecht Scharia einzuführen und Dieben die Hand abzuhacken. Pierre Vogel alias Abu Hamza hat es der Kanzlerin empfohlen.

Und sie sind, wenn auch nicht immer offen ausgesprochen, im Zweifel Lehrer des Terrors.

Abu Dujana, die Choukas und der in Frechen geborene Ex-Boxer und Konvertit Vogel haben noch etwas gemeinsam: Sie missionieren und leben, zumindest zeitweise, in Bonn. Die ehemalige Bundeshauptstadt am Rhein hat sich seit dem Wegzug von Parlament und Regierung zu einem wichtigen Stützpunkt radikaler Muslime entwickelt. Hier treten sie in mindestens zwei der neun Moscheen der Stadt auf, hier schneiden sie ihre Bekehrungsvideos. Von hier ziehen sie in den Heiligen Krieg wie die Brüder Chouka und Bekkay Harrach, der sich gerne mit gezogenem Schwert zeigte und wohl im Herbst in Afghanistan im Kampf getötet wurde. Spektakulär war 2008 die Festnahme von zwei Bonner Muslimen in einem KLM-Jet. Waren sie in den Mittelosten unterwegs, um dort für die Taliban zu kämpfen?

Salafisten locken junge Männer

Bonn ist nach Einschätzung von Sicherheitskreisen islamistisches Zuzugsgebiet – aus Hochburgen wie Hamburg, Neu-Ulm und Baden-Württemberg. Es wird zum Testplatz neuer Ausprägungen: Somalier der Deutschen Shabab, deren Mutterorganisation in dem ostafrikanischen Land in Verbindung mit El Kaida und der Piraterie steht, werben auf Straßenständen in der Godesberger Ortsmitte und rufen zum gemeinsamen Gebet auf.

„Gerade sie verhalten sich zunehmend konspirativer“, warnen Experten vor der Gruppe. Und frauenfeindliche Salafisten, denen NRW-Verfassungsschützer kürzlich ein 45-seitiges Dossier widmeten, locken vor allem junge Männer.

„Erhöhte Wachsamkeit von den Sicherheitsbehörden“ fordert deshalb Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch (SPD). „Es gibt in Bonn 20 gewaltbereite Islamisten“, sagt Polizeipräsident Wolfgang Albers: „Ihre Zahl steigt an. Wir haben sie im Fokus“ – auch, wenn 20 angesichts einer bundesweiten Schätzung von 1000 Gewaltbereiten noch wenig sein sollte. Albers hat seinen Job zu der Zeit angetreten, als sich die ersten Auffälligkeiten ergaben. Heute, Jahre später, ist die Beobachtung und Bekämpfung islamistischer Tendenzen Schwerpunkt im polizeilichen Sicherheitsprogramm der Stadt am Rhein.

Behörden außerhalb haben längst das Augenmerk auf die Lage in Bonn geworfen, wo knapp 30 000 Muslime leben, etwa neun Prozent der Bevölkerung. Das nordrhein-westfälische Landeskriminalamt hat unter dem Begriff „Sumpf“ die Situation des Islamismus in NRW beleuchtet und kam zum Ergebnis, dass „eine Vielzahl von Personen aus dem Raum Bonn, die bislang in den bewaffneten Djihad ausgereist sind, weiterhin eine intensive Befassung erfordern“. Die Choukas gehören dazu, zum Beispiel. Yassin und Mounir waren „bönnsche Jongs“, kickten bei Fortuna. Schleichend radikalisierten sie sich. Selbst ihre Eltern verstehen nicht, wie die Verwandlung einsetzte.

Purer Zufall, dass es Bonn trifft? Oder aus der Geschichte der Stadt heraus zu erklären? Eher das, glauben Experten.

Rückblende: 2003 erfährt die Öffentlichkeit von der Aktivität der König Fahd-Akademie in Bad Godesberg. Der „heilige Krieg“ werde dort beworben. Dabei ist die Akademie eine bei muslimischen Eltern beliebte Schule in einer Stadt, in der ja schon arabische Diplomaten eine Bildungseinrichtung für ihre Kinder suchten. Die Schulaufsicht griff damals ein, drohte mit Schließung. In der Folge wurde das Unterrichtsprogramm umgebaut und die Schülerzahl verkleinert. Weniger als 200 sind es heute.

Das Umfeld mag geblieben sein. Die Aktivitäten der Radikalen haben aber in andere Stadtteile gestreut. Sicherheitskreise sehen in den salafistisch ausgerichteten Mo­scheen Al Musinin am Schwarzen Weg im rechtsrheinischen Beuel und Al Mudadschirin in der Theaterstraße nahe der Beethovenhalle längst gefährlichere Zentren der Agitation. Die Imame der Gebetshäuser streiten es ab, haben 2009 eine Erklärung des Bonner Rates der Muslime gegen Gewalt unterzeichnet. Und Prediger wie Abu Dujana? Kämen nur als Gläubige vorbei.

Eine Art Basislager

Tatsächlich, so bestätigt es der Polizeipräsident, gibt es bis heute keine Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Zugehörigkeit zu einer terroristischen Vereinigung. Die Polizei könne nur tätig werden, wenn es zum Gesetzesbruch kommt.

„Fakten, die auf konkrete terroristische Aktionen oder Vorbereitungen“ hinwiesen, gebe es keine, glaubt auch das LKA in seinem „Sumpf“-Report. Aber was die Experten befürchten, ist alarmierend genug: Dass sich in der Stadt, auch durch das Werben der Prediger, eine Art Basislager bildet, von dem aus alles Mögliche geschehen kann – am Ende auch ein Selbstmordanschlag.