Schwerte. Rathaus in der Ruhrstadt hat Quote schon erfüllt

. „Der Öffentliche Dienst wird immer weiblicher.“ Jutta Pentling, die das sagt, sitzt im Schwerter Rathaus, wo dieser Satz schon Wirklichkeit geworden ist. Vier von fünf kommunalen Top-Positionen sind mit Frauen besetzt, über der Fachdienstleiterin Pentling und ihren Kolleginnen Ulrike Schulte, Charlotte­ ­Schneevoigt und Ursula Weidling gibt es nur noch drei Wahlbeamte, Bürgermeister Böckelühr und zwei Beigeordnete.

80 Prozent Frauen bei den Fachdienstleitungen – eine Situation mit Seltenheitswert. So sagt Dr. Elke Wiechmann, die an der Fern-Uni Hagen auf dem Gebiet Politik und Verwaltung forscht: „Schwerte dürfte durchaus ein Einzelbeispiel sein. In diesen Positionen bleiben Frauen noch immer eine (sehr) kleine Gruppe, was ich immer daran erkenne, wenn ich im Forschungsfeld Kommunalverwaltung mit Leitungskräften reden will und dies nahezu ausnahmslos Männer sind.“

Wiechmann ist Mitautorin des 2. Genderrankings deutscher Großstädte, in dem sie mit Prof. Dr. Lars Holtkamp und Jan Pfetzing den Anteil der Frauen in kommunalen Räten und Führungspositionen untersucht hat. Seit 1996 pendelt der Wert um 32, 33 Prozent und stagniert auf diesem Niveau. Der Frauenanteil in französischen Kommunalparlamenten hat sich dagegen von 1995 bis 2008 von 25,7 auf 48,5 Prozent erhöht. Allerdings nur unter Druck. Eine gesetzliche Regelung erzwingt die paritätische Quote.

Profilierung durch Leistung

Doch politische Partei- und kommunale Verwaltungsarbeit sind verschiedene Paar Schuhe und von Quotenlösungen im Öffentlichen Dienst hält Jutta Pentling – trotz des Gleichstellungsgesetzes – wenig. Die Entwicklung in Schwerte habe auch damit zu tun, wie Frauen sich durch Leistung hervorgetan haben, sagt sie. Frauen seien in Führungspositionen aus vielen Gründen die bessere Wahl: „Sie können besser organisieren, weil sie es durch die Belastung durch Familie und Beruf müssen. Sie achten bei ihren Mitarbeitern auf Körpersprache und Signale, darauf, wie es ihnen ergeht. Und sie sind kommunikativer und belastbarer“, meint Pentling.

Den Vorrang einer Qualifikation vor einer irgendwie gearteten Quote betont auch Bürgermeister Heinrich Böckelühr. Die Besetzung der vier Spitzenjobs mit Frauen richte sich nach Qualifikation und persönlicher Eignung für die zu besetzende Stelle. „Insofern konnten diese Personalentscheidungen nur so getroffen werden“, sagt er.

Als Jutta Pentling vor 35 Jahren in der Stadtverwaltung Schwerte als „Tippse“ anfing, wurden Stellen oft noch nach Gesinnung vergeben. „Mir wurde als erstes ein Aufnahmeantrag für die Gewerkschaft vorgelegt“, sagt sie. Heute sitzt sie als Fachdienstleiterin an der Schaltstelle Zentrale Verwaltung und achtet darauf, dass die Aufgabe zu dem Menschen passt. Jutta Pentlings Kolleginnen sind zuständig für Schule, Sport, Immobilienmanagement (Ulrike Schulte), Familien, Jugend und Soziales (Charlotte Schneevoigt) und Finanzen, Sicherheit und Ordnung (Ursula Weidling), als fünfter komplettiert Adrian Mork (Stadtentwicklung, Umwelt) die Führungsriege.

Das Beispiel Schwerte sei schon herausragend, sagt Michael Feiter vom Verband kommunaler Arbeitgeber NW (KAV). Generell sei der Öffentliche Dienst weit, was die Gleichstellung von Mann und Frau im Beruf angehe; Frauen seien jedoch in Führungspositionen nach wie vor unterrepräsentiert. „Das hängt mit ihrer Berufsbiographie durch Mutterschaft und Kinder zusammen, das ist der Biologie geschuldet.“

Trend zu Teilzeitjobs

Auch in der Schwerter Verwaltung liegt der Frauenanteil im höheren Dienst insgesamt bei 33 Prozent – was, bei nur elf Prozent drei Jahre zuvor, allerdings eine enorme Zunahme darstellt. Im mittleren Dienst haben die Frauen in Schwerte Gleichstand er­reicht, im gehobenen Dienst mit 52,8 Prozent leichte Überhand.

„Der Trend zu mehr Teilzeitjobs und die Frauenförderung, die sich im Zeitgeist niederschlägt“, sagt Martin Lehrer vom Städte- und Gemeindebund NRW, arbeiten für die Frauen. Doch die Hilfe einer Gleichstellungsbeauftragten oder die Regelung, bei gleicher Qualifikation eine Frau vorzuziehen, braucht das weibliche Geschlecht gar nicht. In Schwerte bekommen junge Männer nur schwer einen Fuß in die Rathaustüren. Nur eine von fünf Ausbildungsstellen zum Verwaltungsfachangestellten im laufenden Jahr fällt an einen Mann, in den vergangenen fünf Jahren wurden nur zwei Männer für den Verwaltungsdienst ausgebildet.

„Die Mädchen schneiden bei den Aufnahmetests deutlich besser ab. Wir würden ja mehr Männer ausbilden, aber der Markt gibt es kaum her “, sagt Jutta Pentling. Andererseits gibt es nach wie vor reine Männerdomänen, zum Beispiel Müllabfuhr. „Wenn eine Frau unbedingt möchte“, sagt Jutta Pentling, „hätte ich aber kein Problem damit, sie dort einzusetzen.“