Köln. . NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) hat gestern in Köln ein bundesweit einzigartiges Pilotprojekt vorgestellt. „Crash-Kurs NRW“ soll durch drastische Bilder und emotionale Berichte zur Unfallprävention bei Jugendlichen beitragen. Die Veranstaltungen sollen in Zukunft an Schulen in ganz NRW stattfinden.

Roman (21), Edgar (19) und Roman (24) brachen am frühen Sonntagmorgen zur letzten Autofahrt ihres Lebens auf. Am vorletzten Wochenende war das, in Herne. Die rasante Fahrt endete an einem Schildermast, von Tempo 130 ist die Rede. Dass Roman, der 21jährige Fahrer, betrunken war, ergab ein Alkoholschnelltest. Ob er auch Drogen genommen hatte, sollten weitere Untersuchungen klären. Doch die sind längst nicht mehr wichtig. Inzwischen sind alle drei tot. Edgar, der jüngste, der unangeschnallt auf dem Rücksitz saß, starb sofort. Um das Leben der beiden anderen kämpften die Ärzte noch mehrere Tage, doch auch sie haben es nicht geschafft.

Vielleicht wird dieser Unfall irgendwann auch einmal zum Thema werden bei „Crash-Kurs NRW“, einem bundesweit bislang einmaligen Projekt, das gestern in Köln vorgestellt wurde.

Rund 550 000 Verkehrsunfälle er­eignen sich pro Jahr auf NRW-Straßen, etwa 600 Menschen werden dabei getötet. Der Anteil der beteiligten Fahrer zwischen 18 und 24 Jahren ist überproportional hoch. Die drei häufigsten „Killer im Straßenverkehr“, wie NRW-Innenminister Ralf Jäger es gestern ausdrückte, sind „überhöhte Geschwindigkeit, Nichtanschnallen, Alkohol und Drogen“. Um diesem Problem Herr zu werden, hat die Polizei in NRW das Präventionsprojekt aufgelegt.

Helfer und Angehörige erzählen

Mehr als 400 Schülerinnen und Schüler, gehören an diesem Morgen im Nicolaus-August-Otto-Berufskolleg in Köln-Deutz zu den ersten, die mit dem „Crash-Kurs NRW“ konfrontiert werden. Schüler zwischen 16 und 19. Einige von ihnen machen anfangs auf „starke Jungs“. Unbewegliche Gesichter, ein Lachen zum falschen Zeitpunkt. Bloß keine Schwäche zeigen.

„Realität erfahren. Echt hart“, so lautet der Untertitel, dieser Veranstaltungsreihe, die mittelfristig alle Schüler dieser Altersgruppe in NRW erreichen soll. Polizisten, Feuerwehrleute, Notärzte oder Angehörige von Unfallopfern erzählen von ihren Erfahrungen. Zu Beginn aber sind es Bilder, mit denen die Schüler konfrontiert werden. „Wir werden Euch das Sterben ungeschminkt zeigen“, kündigt Verkehrssicherheitsberaterin Silke van Beesten an.

Überschätzt

Über die Leinwand flackern drastische Fotos von Unfallfahrzeugen, Unfallopfern. Sie erzählen Geschichten von Motorradfahrern, die sich selbst überschätzten. Von jungen Leuten, die sich nach einer Party mit Alkohol und Drogen noch ans Steuer setzten.

Anschließend werden die Bilder mit Leben gefüllt. Da erzählt Engelbert Schöller, von der Berufsfeuerwehr Köln, wie er an einem 24. Dezember zum Routineeinsatz auf der A 3 gerufen wurden. „Eingeklemmte Person“. Wie die Situation vor Ort immer bedrückender wurde. Wie der Notarzt schließlich den Tod der 24-jährigen Frau feststellte. Wie schwer es ihm anschließend fiel, zu Hause mit seinen Kindern fröhlich Weihnachten zu feiern.

Grausame Folgen für Überlebende

Dr. Joachim Leißner ist Chefarzt der Urologie einer Kölner Klinik. „Warum Urologie, werden Sie fragen“, so Leißner, und schildert, welche Folgen ein Unfall haben kann, wenn man ihn überlebt. Von einem jungen Mann erzählt er, der auf der A 3 mit überhöhter Geschwindigkeit gegen einen Brückenpfeiler geprallt ist.

Nach monatelanger Be­handlung verließ er das Krankenhaus mit einem künstlichen Darmausgang, all seiner Sexualfunktionen be­raubt. Seine Arbeit hatte er in der Zwischenzeit verloren, seine Freundin hatte ihn verlassen.

Ergreifende Todesnachricht

Dieter Denninghaus vom Opferschutz der Kölner Polizei berichtet in ergreifenden Worten, wie er nach einem Unfall - fünf junge Leute alkoholisiert in einem Kleinwagen, der Fahrer hatte keinen Führerschein - anschließend eines der Opfer, eine junge Frau, von ihrer Mutter identifizieren lassen musste.

Und zum Abschluss ist es eine Mutter, die auf die Bühne tritt und erzählt, wie die Polizei eines Tages vor der Tür stand, um ihr zu sagen, dass ihre Tochter von einem Lastwagen vom Fahrrad gerissen wurde. Angela wurde nur 14 Jahre alt. Die ganze Familie leidet seither unter dem Verlust.

Stille

Die meisten Schüler sind inzwischen still geworden. Sie sind bewegt, so wie der 18-jährige Serge, der selber im letzten Jahr einen Onkel durch einen Verkehrsunfall verloren hat. „Das frisst man in sich hinein, das lässt einen nicht mehr los.“ Auch Torsten Radermacher ist überzeugt, dass die Bilder und die emotionalen Schilderungen „Eindruck gemacht haben“.

Ob das wirklich so ist, wird sich zeigen, an den Wochenenden und in den Partynächten in NRW.