Essen/Remscheid. .

Gruppen von „Guerilla Strickern“ umgarnen Laternen, Pöller, Parkpänke mit Wollkunstwerken. Sie wollen den öffentlichen raum „wärmer“ machen.

Beim ersten Mal ist sie frühmorgens losgezogen in die Fußgängerzone. So früh, dass es noch dunkel war. „Ich wusste ja nicht, wie die Leute reagieren”, sagt Ute Lennartz. Verständlich, schließlich ist es nicht alltäglich, dass jemand einen Wollschal um eine Laterne bindet. Noch nicht. Genau das wollen Menschen wie Lennartz ändern. Mit Selbstgestricktem – das manchmal auch gehäkelt sein kann.

Entstanden ist die ganze Sache in den USA, und erfunden haben soll sie eine Frau aus Texas. „Um dem tristen öffentlichen Raum etwas Wärme zurückzugeben ohne dabei etwas zu beschädigen”, beginnen Magda Sayeg und ihr Strick-Kollektiv „KnittaPlease” 2005 damit, Strommasten, Telefonzellen oder Straßenlampen einzustricken. Später hüllen sie auch Autos oder ganze Busse in bunte Gewänder aus Wolle. „Yarn Bombing” nennt sich der neue Trend. Manchmal auch Guerilla Knitting – Guerilla Stricken. „Wie Graffiti“, findet Lennartz. „Nur netter.“

Wer es macht, will in der Regel anonym bleiben. Keine Fotos, keine Namen. Guerilla eben. Aber ganz anonym lässt sich die Sache schlecht verkaufen. „Deshalb stelle ich mich in die Öffentlichkeit“, sagt Lennartz. Und dunkel muss es auch nicht mehr sein, wenn sie die Strickwaren um Schilder, Bäume oder Zäune wickelt. Oder einen Wollbommel an eine Autoantenne hängt – zusammen mit einem Zettel, der dem Beschenkten erklärt, um was es geht. „Mittlerweile bin ich schmerzfrei.“

In Berlin hat sie erstmals Werke von Strick-Guerillas gesehen und war sofort begeistert. Schon weil sie seit Ewigkeiten gerne strickt. „Dabei komme ich zur Ruhe.“ Nun kann die Kunst- und Kulturpädagogin nicht nur entspannen, nun kann sie auch gleichzeitig die Stadt verschönern. „Und das popelige Remscheid ein bisschen mit der Welt vernetzen“, sagt sie. Denn Anlaufstelle und Kontaktpunkt ist eine Internetseite in dem sozialen Netzwerk Facebook.

Im Wollladen getroffen

Dort tummelt sich auch die „Katernberger Strickguerilla“ aus Essen. 15 Frauen und ein Mann. „Eine ganz lockere Gruppe“, sagt Michaela, eine Art Sprecherin der Strickerinnen. In einem Wollladen haben sie sich getroffen. Eher zufällig aber vereint in dem Wunsch „mal was Künstlerisches zu machen“.

Mit Maschenproben auf der Zeche Zollverein hat es angefangen, mit Zipfelmützen für Begrenzungspoller, Schals für Bäume oder umstrickten Rückenlehnen an Parkbänken ist es weitergegangen. In der Vorweihnachtszeit haben sie in einer Nacht-und-Nebel-Aktion einen selbst gestrickten Adventskranz am Limbecker Platz, mitten in der Essener City aufgehängt. Und bereits im Sommer eine Deutschland-Flagge aus Wolle am Ballermann auf Mallorca.

„Wir passen die Dinge den Örtlichkeiten und Gegebenheiten an“, sagt Michaela. Die Vorgehensweise ist dabei stets die gleiche. Vor Ort wird heimlich Maß genommen, aber gestrickt wird zu Hause. Mal alleine, mal in der Gruppe. „Wie es gerade passt.“ Mit dem fertigen Stück kehrt die Guerilla dann zurück, um es am Objekt zu befestigen. „Geht ganz schnell.“

Sie selbst bleiben stets im Hintergrund und haben sich Alias-Namen zugelegt. „Faule Socke“ nennt sich einer, „Sarah Seidenfaden“ eine andere. „Nur so können wir in Ruhe arbeiten.“

Vieles bleibt längere Zeit hängen

Wie ihre Künste ankommen, können die Guerilla-Stricker deshalb meist nur erahnen. „Viele Leute sympathisieren mit uns“, glaubt Michaela. Ute Lennartz glaubt das auch. Schon weil vieles, was sie gestrickt hat, längere Zeit hängen bleibt.

„Darüber freue ich mich“, sagt sie. Deshalb ist ein Ende der wollenen Leidenschaft auch nicht in Sicht. „Pläne gibt es viele.“

Das kann Michaela nur bestätigen. Mehr noch. „Wir können gar nicht aufhören“, sagt sie. „Wir sind süchtig nach stricken.“