Essen.

Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion, fordert die Abschaffung von Drei- und Vierbettzimmern in Krankenhäusern. Doch viele Kliniken sind skeptisch. Zu teuer, meinen sie.

Vier-Bett-Zimmer für Schwerkranke – wie etwa Krebspatienten – seien eine Zumutung, findet Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion. Der 30-Jährige ging mit seiner Forderung an die Öffentlichkeit, künftig auch Kassenpatienten nur noch in Zwei-Bett-Zimmern genesen zu lassen. Marlies Müller (Name geändert) kann dies nur begrüßen. Denn sie ist einer der Menschen, die als Patienten über viel Klinik-Erfahrung verfügen.

Zwei Krebs-Erkrankungen und dadurch ausgelöste Depressionen haben der Wittenerin immer wieder mehrwöchige Krankenhaus-Aufenthalte beschert. Zuletzt war die 70-Jährige zwei Monate lang in einer psychiatrischen Abteilung. „Wir haben uns dort zu viert ein Zimmer geteilt. Die Toilette wurde vom Nachbarzimmer mitbenutzt, in dem auch noch einmal vier Patienten lagen. Eine Dusche für die ganze Abteilung gab es auf dem Flur.“

Als entwürdigend habe sie das empfunden, sagt die Rentnerin. „Und für Menschen, denen es seelisch sehr schlecht geht, ist so etwas kaum auszuhalten.“ Weil sie von den Ärzten als instabil eingestuft wurde, durfte Marlies Müller die Station auch nicht alleine für Spaziergänge verlassen. „Ich fühlte mich wie im Gefängnis. Und unser Krankenzimmer war ein Ort, von dem man möglichst schnell weg wollte. Zum Nachhausegehen war ich aber viel zu krank.“ Wenn Heiko Schmidt (Name geändert) von den letzten Tagen seiner Schwiegermutter erzählt, steigen ihm die Tränen in die Augen. „Sie lag im Sterben, konnte sich kaum noch bewegen.“ Mit der Todkranken hätten noch drei andere Patienten im Zimmer gelegen. „Die hatten zum Teil leichte Sachen. Besucher gingen rein und raus. Und meine Schwiegermutter hat das alles noch sehr bewusst mitbekommen. Es war einfach nur furchtbar.“

Erlebnisse, die Wilfried Jacobs, Chef der AOK Rheinland/Hamburg (2,9 Millionen Versicherte), Menschen ersparen möchte. Er fordert ein Verbot von Vier-Bett-Zimmern in Krankenhäusern. Denn auch gesetzlich Versicherte könnten für ihre Krankenkassenbeiträge möglichst hohe Leistungen erwarten, findet Jacobs. Nach Angaben der AOK Rheinland/Hamburg muss bundesweit noch jeder zwölfte Kassenpatient bei einer stationären Behandlung mit einem Vier-Bett-Zimmer vorliebnehmen.

Auch Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) hat Jens Spahns Vorschlag, in Kliniken nur noch Zwei-Bett-Zimmer anzubieten, als patientenfreundlich begrüßt. Die Idee werde bei den für Januar geplanten Bund-Länder-Gesprächen diskutiert, versprach Rösler.

Viele Krankenhaus-Geschäftsführer im Land halten die „Zwei-Bett-Zimmer-Idee“ zwar für wünschenswert, aber realitätsfremd, weil nicht zu finanzieren. Darunter Heinrich Schnieders, Geschäftsführer des Marien-Hospitals in Wesel. Auch in seinem 429-Betten-Haus gebe es noch vier Kranke in einem Zimmer, so Schnieders. „In Ausnahmefällen, wenn eine Abteilung voll belegt ist. Wir haben auch Räume mit drei Betten. Zwei-Bett-Zimmer für jeden Patienten können wir uns nicht leisten.“ Und Schnieders macht eine Rechnung auf. Das Marien-Hospital wird derzeit vergrößert. „Im Neubau, der Ende 2011 fertig sein soll, kostet uns jedes neue Krankenbett zwischen 80 000 und 100 000 Euro.“

Auch im Bochumer St. Josef-Hospital, eine Uniklinik, verweist man auf die Kostenseite. „Wir haben 351 Zimmer, davon sind noch 48 Drei- und 17 Vier-Bett-Zimmer“, erläutert Kliniksprecher Vassilios Psaltis. Überall, wo es bautechnisch und wirtschaftlich machbar gewesen sei, habe man bereits Zwei-Bett-Zimmer geschaffen, „um dem Wunsch der Patienten nach Komfort und Ruhe nachzukommen“.

In einer glücklichen Situation ist das Essener Alfried Krupp Krankenhaus. Hier ist das Zwei-Bett-Zimmer für Kassenpatienten eine Regelleistung. „Das ist durch die großzügige finanzielle Unterstützung der Krupp-Stiftung möglich“, betont Krankenhaussprecherin Anette Ehrke-Schön. Und dies sei nicht nur ein Gewinn für die Patienten, sondern auch für die Ärzte und das Pflegepersonal.