Dortmund. .
Schulden machen krank. Schulden ziehen viele andere Probleme nach sich. Darum, so die Erkenntnis der Experten, müssen Beratungsangebote stärker vernetzt werden. Von der Hilfe für Familien, über die Hilfe für Kinder- und Jugendliche, bis hin zur psychologischen Beratung – oft ist die Hilfe heraus aus den Schulden der Schlüssel für Lösungen in anderen Lebensbereichen. Die Landesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege hat sich damit jetzt in Dortmund auf einer Fachtagung beschäftigt.
Seit Schuldnerberater Peter Zwegat sich allwöchentlich im Auftrag von RTL und der Quote schwierige Fälle vorknöpft, kennt Fernseh-Deutschland sich aus mit dem Thema Schuldnerberatung: Ein bisschen Belege sortieren, ein paar Verhandlungen mit Gläubigern, dann läuft die Sache schon. Und überhaupt: Die meisten Betroffenen sind ja eh selbst Schuld an ihrer Misere - so wird’s zumindest im Fernsehen vermittelt.
Wechselfälle des Lebens
Der Alltag, den erfahrene Schuldnerberater wie Alexander Elbers aus Dortmund erleben, sieht anders aus. „Wenn die Menschen erst zu uns kommen, spüren wir meist eine enorme Hilflosigkeit und massive Betroffenheit. Die Menschen sind so gelähmt, dass sie gar nicht mehr in der Lage sind, Entscheidungen zu treffen“. Der Weg dorthin, der Weg in die Schuldenfalle, so Elbers, sei meist gepflastert von „Wechselfällen des Lebens“, vom Verlust des Arbeitsplatzes, von Scheidung oder Trennung oder von anderen einschneidenden Erlebnissen. „Nehmen sie den Arbeitsplatzabbau während der Wirtschaftskrise“, erläutert Elbers. „Da haben Menschen unverschuldet ihren Job verloren, doch die finanziellen Verpflichtungen, die Finanzierung eines Hauses oder anderer Kredite, bleiben.“ Schnell kann sich da die Schuldenspirale drehen.
Eine Belastung, die sich auf alle Lebensbereiche auswirkt. „Die Kollegen aus der Familien- oder Eheberatung erleben es immer häufiger, dass die Situation für Familien so verfahren ist, weil sie hoffnungslos überschuldet sind“, erklärt Markus Lahrmann, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege.
Eltern, die die Sorgen wegen ihrer Schulden so sehr belasten, dass sie mit ihren Kindern heillos überfordert sind. Kinder, die durch die Belastung im Elternhaus verhaltensauffällig werden.
Schulden machen krank
Dass Schulden auch krank machen können, hat bereits vor einiger Zeit eine Studie der Uni Mainz herausgefunden. Acht von zehn befragten überschuldeten Menschen litten demnach zumindest an einer Krankheit, durchschnittlich wurden sogar zwei Erkrankungen pro Person genannt. Am häufigsten waren dabei psychische Erkrankungen wie Angstzustände, Depressionen oder Psychosen sowie Gelenk- und Wirbelsäulenerkrankungen. Bei Männern gab es zudem eine Tendenz zu Sucht- und Abhängigkeitserkrankungen. Die Befragten gaben außerdem an, aus Geldmangel verschriebene Medikamente nicht abzuholen oder Arztbesuche aufzuschieben.
Schon damals rieten die Wissenschaftler dazu, verschiedene Sozialdienste besser zu vernetzen, um dem Schuldenproblem ganzheitlich zu begegnen.
Dass Handlungsbedarf besteht, zeigt die ständig wachsende Zahl derer, die Beratung in Anspruch nehmen. Rund 300 000 überschuldete Haushalte gibt es in NRW, im Jahr 2009 nahm die Zahl der Beratungen um 3 Prozent auf 176 703 zu (2008: 171 503). Darunter sind Betroffene jeden Alters. „Die meisten Schuldner kommen aus den mittleren Altersschichten, es gibt aber zunehmend auch jüngere Menschen, die verschuldet sind, und auch Menschen im Rentenalter“, erklärt Alexander Elbers.
Und noch etwas stellt Elbers heraus: „Der Zahlungswillen bei den meisten Schuldnern ist wahnsinnig hoch.“ Darum sei es meistens auch möglich, einen Weg heraus aus den Schulden zu finden - ganz so wie im Fernsehen.