Oberhausen.

Jetzt ist es passiert. „Last Christmas” rieselt wieder aus den Lautsprechern. Es weihnachtet. Zumindest bei Hollister. Und Hollister weiß, was angesagt ist.

Sonst würden sich nicht solche Massen konsumfreudiger junger Menschen zu einer einfachen Ladeneröffnung treffen und stundenlang am Einlass ausharren. So standhaft, als wollten sie sich um eine Hauptrolle in „Warten auf Godot” bewerben.

Eine Marke löst den Haben-wollen-Impuls aus. Das ist nicht neu, aber immer wieder ein Phänomen. Heute ist es Hollister, der jüngere Ableger des US-Labels Abercrombie & Fitch, gestern war es Ed Hardy, vorgestern waren es Hugo Boss oder MCM. In allen Fällen geht es für die Käufer nicht nur um ein einfaches Stück Stoff mit einem Schriftzug drauf. Es geht um ein Lebensgefühl, um Zeichen der Dazugehörigkeit.

Michael von Bach arbeitet als Geschäftsführer in der Hamburger Zentrale der Werbeagentur „Jung von Matt”. Er weiß, wie Marken es schaffen, bei den Kunden Begehrlichkeiten zu wecken. Es gibt grundsätzlich zwei verschiedene Wege, die Käufer zu bezirzen: „Entweder funktioniert es über das Produkt selbst oder über das Image des Produkts und die Kommunikation.” So habe Hugo Boss in den 80ern vor allem von seiner Exklusivität gelebt: „Als die Produkte ein paar Jahre später günstiger geworden sind, es plötzlich T-Shirts für neunundsechzig Mark gab, hat die Marke sehr gelitten.”

Im Falle von Hollister oder auch im Falle des Mutterkonzerns Abercrombie & Fitch ist es weniger das Produkt, sondern mehr das Einkaufserlebnis. Man muss sich das so vorstellen: Diese Läden kommen nahezu ohne Schaufenster oder auffällige Reklame aus. Drinnen ist es düster, die Musik ist laut, Verkäuferinnen heißen hier Store-Models. Und sehen auch so aus.

In ist, wer drin ist

Es riecht so ähnlich wie in einer Parfümerie. Bloß stärker nach Parfum.

„Das Shopkonzept ist eher ein Clubkonzept”, sagt Mi­chael von Bach. Der Kunde bekommt das Gefühl vermittelt, nachts um drei einen angesagten DJ-Club zu betreten. In ist, wer drin ist. „Es gibt so etwas wie Mitglieder und Nicht-Mitglieder.”

Dazu komme der amerikanische Mythos. Auch der ist nicht neu, aber für Europäer immer wieder attraktiv und ein Zeichen von Lässigkeit. „Man kann das mit dem McDonald’s-Phänomen vergleichen”, sagt von Bach. Als der Fast-Food-Konzern in den 70er-Jahren auch nach Deutschland kam, haben die Menschen Schlange gestanden. Bloß um einen Burger zu essen und zusammen mit Ketchup und Fleischklops auch ein Stückchen vom coolen Amerika zu verschlingen.

Im Centro Oberhausen geht es an diesem Freitag eher um die Wurst als um Burger. Und das auch nur sprichwörtlich, denn eigentlich geht es um das Schlange-Stehen für T-Shirts und Kapuzenpullis. Hollister hat die zweite Deutschland-Filiale eröffnet, um sein kalifornisches Lebensgefühl, dieses Beach-Boy-Ding, auch hier zu verbreiten. Vor dem Laden stehen deshalb zwei muskulöse, werbewirksame Jungs mit freien Oberkörpern und Flip-Flops, die tatsächlich eher nach Malibu als nach Rhein-Herne-Kanal aussehen.

Auch Uli Veigel ist Markenkenner. Als Deutschlandchef der Werbegruppe „Grey G2” weiß er genau, wie Firmen ticken. „Jede Marke definiert schnell ihren Empfängerkreis”, sagt der Düsseldorfer. Interessant sei es, die Entwicklung einer Marke zu beobachten. „Wenn in einem Sozialkreis plötzlich alle mit dem gleichen Hemd rumlaufen, nutzt sich die Faszination bei dem einen ab, bei dem anderen werden die Begehrlichkeiten dann erst geweckt.” Wie lange ein Trend hält, hänge stark von der Weiterentwicklung des Produkts ab.

Eine Marke kann sich wandeln. Michael von Bach aus der Hamburger Agentur „Jung von Matt” sagt, dass sich die Zielgruppe durchaus verändern oder erweitern kann. Bestes Beispiel: H&M. Zunächst sei die Marke für ein junges Publikum zwischen 14 und 25 attraktiv gewesen. Später habe sie sich geöffnet, um auch in die Kleiderschränke der 45-jährigen Geschäftsfrauen vorzustoßen.

Von Geschäftsfrauen scheint Hollister dagegen weit entfernt zu sein. Kapuzenpullis mit fettem Schriftzug drauf sind in Vorstandsetagen eher nicht so hip. Entsprechend jung und fern jedes Chefpostens ist die Kundschaft in Oberhausen. Willkommen im Club! Die Beach-Boy-Masche zieht. Selbst die Tüten sind mit Strandszenen bedruckt. Man hat das Gefühl, dass es einigen schon reichen würde, bloß so eine Tasche zu tragen. Wenn auch nicht unbedingt auf nackter Haut.

Gap sagte Goodbye

Nicht für jede neue Marke, und sei sie noch so amerikanisch, gibt es auf dem deutschen Markt eine Überlebensgarantie. Weder der Einzelhandelskonzern Wal-Mart noch die Modekette Gap setzten sich dauerhaft durch. Sie verabschiedeten sich mit einem leisen „Goodbye”. Michael von Bach kennt den Fall Gap und sagt: „Da fehlte der Mythos.” Gap habe dem Kunden keine Geschichte erzählt, nicht diesen Beach-Look oder das Club-Konzept verfolgt und auch keine Exklusivität vermittelt. „Da ist der deutsche Kunde dann lieber weiter zu H&M gegangen.”

Das sagt der Kunde: „Ich finde die Hollister-Klamotten sehr amerikanisch.“ Florian (19) aus Kamp-Lintfort war einer der Ersten bei Hollister in Oberhausen. Er kennt die Läden aus den USA. „Weil es dunkel ist, ist es schwierig, die Farben richtig zu erkennen, aber ich mag die Atmosphäre.“ Wegen des Andrangs musste er eineinhalb Stunden warten, bis er rein durfte.