Dortmund. .

Der Blick auf die Anzeigentafeln am Dortmunder Hauptbahnhof war für viele Bahnreisende gestern Vormittag wenig erfreulich: Züge waren entweder verspätet oder fielen gleich ganz aus. Der Warnstreik, zu dem die Gewerkschaften Transnet und GDBA aufgerufen hatten, traf das Land mit voller Wucht. Zwischen 6 und 9 Uhr waren laut eines Bahn-Sprechers „in NRW fast alle Züge betroffen“. Die Auswirkungen, vor allem auch im Fernverkehr, waren noch bis in den Abend hinein zu spüren.

Jason Dohrwadt steht auf Gleis 10 im Dortmunder Hauptbahnhof und wirkt ein wenig wie ein Gestrandeter. Gegen 5 Uhr morgens hat er sich in Kaiserslautern auf den Weg gemacht mit dem Ziel Bremerhaven. Ein Auto will er dort beim Händler abholen.

Für Dohrwadt ist der Streik nicht das einzige Problem. Er versteht kein Deutsch - und seit Mannheim ohnehin nur noch „Bahnhof“. Denn kurz nachdem er früh um halb sieben dort umgestiegen war, kam seine Reise ins Stocken. Zweimal stoppt sein Zug, für 45 Minuten und dann noch mal für 30 Minuten.

Die Durchsagen, so berichtet er, seien entweder nur auf Deutsch gewesen oder die englische Übersetzung so schlecht, dass er - der englische Muttersprachler - sie nicht verstanden habe.

Genervt wirkende Bahnmitarbeiter

Nun hat er gegen 11.15 Uhr endlich Dortmund erreicht - zwei Stunden später als ge­plant - und fragt sich, ob er das neue Auto heute noch in Empfang nehmen kann, denn für einen möglichen An­schluss­zug ist schon eine Stunde Verspätung angezeigt. So macht sich Dohrwadt - froh, endlich jemanden gefunden zu haben, der ihm übersetzen kann - auf den Weg zum provisorischen Reisezentrum im Container vor dem Bahnhofsgebäude.

Ein leicht genervt wirkender Bahn­mitarbeiter wimmelt dort Reisende mit Fahrplanfragen gleich im Eingangsbereich ab und verweist sie an die Schalter draußen. Als er endlich dran ist, erfährt Dohrwadt lediglich, dass sein nächster Zug tatsächlich der ist, der mit 60 Minuten Verspätung frühestens in einer Stunde eintreffen wird. Dohrwadt resigniert - und lässt sich schon mal den Weg zum nächstgelegenen Mietwagenbüro erklären. „Ein schlechter Tag fürs Bahnfahren“, stellt er fest.

Drinnen im Bahnhof verharren die Reisenden und suchen auf der großen Anzeigetafel ihren Zug. „130 Minuten Verspätung“, „60 Minuten Verspätung“, „Zug fällt aus“ - die meisten Verbindungen sind am späten Vormittag mit einem Zusatz versehen.

Viele Pendler mit dem Auto unterwegs

Für Lieselotte Klimach ist es nicht das erste Mal, dass ihr Reiseplan wegen Streiks völlig aus dem Takt gerät. Zwei Mal im Jahr fährt die Seniorin aus Witten nach Hamburg. „Vor drei Jahren stand ich dort während eines Streiks und kam nicht weg“, erinnert sie sich. Für die Arbeitsniederlegung hat sie wenig Verständnis: „Für jemanden, der ein Auto hat, ist das ja vielleicht kein Problem, für mich schon.“

Dass vor allem viele Pendler tatsächlich aufs Auto umgestiegen sind, beweisen unter anderem die rund 130 Kilometer Stau, die die Verkehrsnachrichten zur besten Berufsverkehrs-Zeit zu vermelden haben. Auch rund um Dortmund ist es voller als an anderen Werktagen.

Lieselotte Klimach hofft nun, dass sich bis zu ihrer Rückreise in zwei Wo­chen die Wogen geglättet haben.

Annäherung in weiter Ferne

Danach aber sieht es derzeit nicht aus. Zwar haben die Gewerkschaften, denen es vor allem um eine Angleichung der Tarife von Mitarbeitern der Deutschen Bahn und der privaten Bahnen geht, bereits angekündigt, dass es in dieser Woche keine weiteren Arbeitsniederlegungen geben soll, eine Annäherung deutet sich aber noch nicht an.

Sowohl die Deutsche Bahn als auch die sechs privaten Bahnunternehmen erklärten gestern, sie wollten nicht von ihren jeweiligen Angeboten vom 8. Oktober abweichen.

Die Deutsche Bahn, so erklärte Personalvorstand Ul­rich Weber, habe zugesagt, einen Branchentarifvertrag zu unterschreiben, der den Durchschnitt der drei höchsten geltenden Tarife der anderen Eisenbahnunternehmen zum Maßstab habe. Die Privatbahnen haben ein Angebot vorgelegt, das nach eigenen Angaben bei 90 Prozent des DB-Niveaus liegt. Die Ge­werkschaften rechnen anders und machen die Offerte bei 20 Prozent unterhalb des DB-Niveaus fest.

Am Freitag werden die Gespräche fortgesetzt.