Ruhrgebiet. .

Immer mehr Kommunen bauen ihre Fußgängerzonen zurück. Ein letzter Ausweg, wieder mehr Kunden in die Innenstädte zu bekommen.

Autos, die fremdeln, sieht man auch nicht so häufig, aber in der Alleestraße von Remscheid schon. Wie langsam sie die Straße hinaufrollen, wie vorsichtig sie einparken – als wäre es irgendwie nicht richtig . . . Ist es aber, zumindest seit dem vorvergangenen Samstag: Denn da hat die Stadt die untere Hälfte ihrer Fußgängerzone Alleestraße nach 39 Jahren versuchsweise wieder zurückverwandelt. In eine Autostraße.

Betrieb, Geschäft, Umsatz, Frequenz soll das wieder bringen in diese Straße, die leicht angeschlagen ist zwischen dem Kaufhausleerstand und dem Kürschnermeister Keller, aber noch keineswegs sozial auffällig.

Die Meinungen der Ge­schäftsleute sind natürlich ge­teilt: „An dem Samstag fing das an, ich habe wieder deutlich mehr Umsatz, und das zieht sich durch“, sagt in seinem Lottoladen Dirk Rakow (der freilich auch zuvor für die Öffnung für Autos war). „Ich sehe genug Leute parken und nichts einkaufen. Und andere Leute haben die Autos im Nacken“, sagt hingegen Marian Keller (der indes schon zuvor gegen die Öffnung für Autos war). Menschen nehmen halt immer das wahr, was sowieso ihrer Meinung entspricht.

Nun wäre die Umwandlung von ein paar hundert Metern Fußgängerzone in einer kleinen Stadt hinter den sieben Bergen zunächst einmal keine Zeile wert. Aber Remscheid ist längst nicht allein: Es beginnt vielleicht die Abkehr von der Fußgängerzone – sozusagen ein Auslaufmodell. In größeren Kommunen hätten sie sich „als zentrale Orte öffentlichen Lebens erhalten“, so ein Gutachten des Städtebau-Büros Roland Becker, seien aber in mittleren und kleinen Städten „zusehends geschwächt“. Denn Lokalpolitiker und Geschäftsleute glauben entschlossen daran, der Kunde komme, wenn er nur vor dem Eingang parken kann.

„Ja, es stimmt, es gibt die Neigung, Fußgängerzonen umzuwandeln, um Kaufkraft zu gewinnen“, sagt die Expertin Kerstin Guthmann, die das Gutachten mit verfasste: Vor allem „kleinere Städte, in die die großen Einkaufsmagneten nicht kommen oder aus denen sie abwandern, greifen nach diesem Strohhalm“. Belastbare Zahlen, ob das hilft, gibt es noch nicht: „Die Effekte sind wohl eher psychologisch und oft nicht konkret nachzuweisen“, sagt Guthmann.

Und wo es schon Erfahrungen gibt, da widersprechen sie einander. So hat Herne, eine der Städte mit gleich zwei Fußgängerzonen, die schwächelnde in Wanne-Eickel im September 2007 deutlich verkleinert. Sie „franste zum Ende hin aus. Wir sahen die Chance, sie kompakter zu bekommen“, so Stadtsprecherin Silke Bender. Experiment erfolglos, urteilt heute zumindest der SPD-Ortsverein. „Die Leerstände sind nicht weniger geworden, die Qualität des Besatzes eher schlechter“, sagt sein Vorsitzender Volker Bleck: Wenn man die Zone jetzt wieder erweiterte, würden „wenigstens die Anwohner profitieren“.

Und jetzt kommt, was die Dinge immer so schwierig macht: nämlich das erfolgreiche Gegenteil. Bergkamen. Auch Bergkamen hat seine Fußgängerzone um ungefähr die Hälfte beschnitten. Dabei ging es zunächst nicht um Umsatz, sondern um sicherere Fahrwege zu Schule und Kindergarten.

„Das macht man mit spitzen Fingern, in eine total beruhigte Zone wieder Autos reinzulassen“, sagt Bergkamens Baudezernent Hans-Joachim Peters. Aber „wirtschaftlich haben wir die Erfahrung gemacht, dass die Leerstand-Problematik dort zurückgegangen ist“.

Schließlich ist auch Hemer in einer Versuchsphase und will wie Remscheid 2011 endgültig entscheiden; hier fällt die kuriose Wortwahl auf, dass die frühere Fußgängerzone nun den Status einer „verkehrsberuhigten Straße“ hat – obwohl mehr Autos drin sind als zuvor.

Geld zurückzahlen

Kann sein, dass es schon bald nicht mehr bleibt bei der Beschränkung auf kleinere Orte. „Die Fußgängerzone ist zu lang und sollte verkürzt werden“, sagt jetzt auch schon Klaus Wehling (SPD), der Oberbürgermeister von Oberhausen – und das ist ja kein Marktflecken. „Wir haben in einem Teil hohe Fluktuation und Schwierigkeiten, die relativ großen Ladenlokale zu füllen“, sagt City-Manager Franz-Josef Muckel. Eigentlich war die deutliche Verkürzung der Fußgängerzone von Oberhausen schon beschlossene Sache. Nun aber ruht sie: Die Stadt müsste hunderttausende Euro an das Land zurückzahlen, Geld, das sie vor Jahrzehnten für die Fußgängerzone bekam. Was soll man dazu sagen? Der Fortschritt ist ein Karussell?