Essen.

Das Ruhrgebiet wird zur Modellregion für den Klimawandel. Zwei Projekte befassen sich derzeit vor Ort mit dem Thema: „Future Cities“ und „DynAKlim“

Gullys schossen hoch, Autos schwammen fort, Keller liefen voll: Das Jahrhunderthochwasser von Dortmund 2008 ist noch gut in Erinnerung – aber es war gar keins. „Wir registrieren in der Saison alle drei Wochen neue Jahrhundertregen“, sagt Ilias Abawi, Sprecher der Emschergenossenschaft. „Der Klimawandel ist wirklich spürbar.“

Die Städte müssen sich also anpassen. Zwei Projekte er­arbeiten dazu Daten und Vorschläge, das Ruhrgebiet wird zur Modellregion.

In wenigen Monaten wird Oberhausen komplett vermessen sein: Wie warm sind die einzelnen Stadtteile übers Jahr gesehen? Dass eine Innenstadt mit ihren Steinen und dem Beton sich stärker aufheizt, als etwa ein Wald ist klar. Im Schnitt beträgt der Unterschied zwei bis drei Grad, an extremen Tagen auch schon mal acht Grad.

Aber wie hoch sind die Kon­traste genau, wo verlaufen die Grenzen, und wie verteilen sie sich über das Jahr? Die Klimatologen der Uni-Essen-Duisburg wollen das herausfinden und haben zehn Messstationen aufgestellt, befahren Oberhausen mit einem Messwagen.

„DynAKlim“ heißt das Projekt, ein Forschungsnetzwerk in mehreren Städten, das vom Bundesforschungsministeri­um mit zwölf Millionen Euro auf fünf Jahre finanziert wird. Die Daten werden dann auf das Ruhrgebiet hochgerechnet, durch eine Klimasimulation geschickt, so dass am Ende eine Prognose für einzelne Stadtteile möglich ist: eine Grundlage für politische Entscheidungen, aber auch ganz konkrete Empfehlungen.

Dr. Dirk Dütemeyer von der Uni Essen-Duisburg: „Wo es am wärmsten ist, wohnen in der Regel auch die meisten Menschen.“

Man kann in Essen-Holsterhausen aber schlecht Häuserblocks abreißen, um Arkaden anzulegen. „Aber warum keine Fassadenbegrünung wie an der Margarethenhöhe? Wir wollen auch herausfinden, wie man das Mikroklima in den Stadtteilen beeinflussen kann“, sagt Dütemeyer.

Auch das Gewerbegebiet Scharnhölzstraße in Bottrop stand schon unter Wasser. Die sechs ansässigen Unternehmen haben also „eine gewisse Motivation“ sich fit zu machen für den Klimawandel, erklärt Anke Althoff.

Die Ingenieurin leitet „Future Cities“, an dem zwölf Partner aus fünf europäischen Ländern mitarbeiten. Am heutigen Mittwoch feiert das auf vier Jahre angelegte und elf Millionen Euro schwere Projekt „Halbzeit“, etwa hundert Wissenschaftler, Stadtplaner und Umweltverantwortliche werden sich in der Essener Philharmonie treffen, um erste Ergebnisse zu besprechen.

Und die wären?

Das Beispiel Bottrop zeigt: Es sind die kleinen Maßnahmen, die viel bewirken, und sie müssen nicht viel kosten. Zunächst werden die Flachdächer der Gewerbehallen und die Straßen nicht mehr in die Kanalisation entwässert. Zum Teil wird das Regenwasser direkt in die Boye eingeleitet, ein Bach, der derzeit umgebaut wird. Zum Teil soll das Wasser versickern, der Boden wirkt als Puffer, leitet das Wasser erst zeitversetzt an den Bach. Bei neuen Parkplätzen werden durchlässige Steine eingesetzt.

Aber auch der erwartete Temperaturanstieg ist ein Thema. Grüne Fassaden und Pflanzen auf den Flachdächern sollen über ihre Verdunstung ein günstigeres Mikroklima schaffen.

Das hilft auch Kosten zu sparen für Klimaanlagen oder Heizung. „Man muss nicht das Rad neu erfinden“, erklärt Althoff. „Es geht darum, Empfehlungen zu erarbeiten, wann welche Maßnahmen sinnvoll sind.“

Wenn man zum Beispiel einfach schattenspendende Bäume pflanzt, sind womöglich im Herbst die Gullys zugesetzt mit Laub.