Essen. .

Wenn’s um Schmuggel geht, beweisen Kriminelle viel Fantasie. Die Drogenfahnder des Zollfahndungsamtes Essen stellt das zunehmend vor Schwierigkeiten.

Die Sendung kam harmlos daher. Per Kurierdienst sollte der vermeintliche Zierkamin aus der Türkei über den Flughafen Köln-Bonn nach Manchester gebracht werden. Doch die Beamten beim Zoll wurden misstrauisch. Sie öffneten das Paket – und entdeckten eine billige Blechattrappe, vollgestopft mit 15 Kilogramm Heroin im Verkaufswert von mehr als 500 000 Euro. Treffer. Der Adressat des wahrlich heißen Kamins konnte noch am Flughafen in England festgenommen werden.

Der geschilderte Fall liegt einige Monate zurück, aber er ist exemplarisch für eine Entwicklung, die Zoll und Polizei gleichermaßen beobachten. Ohne eine Menge Erfahrung, Wissen und ein gutes Stück Bauchgefühl können Drogenfahnder heute keine großen Fänge mehr machen. „Wenn’s darum geht, Drogen zu verstecken, wird nichts unversucht gelassen“, sagt Ulrich Schulze, Sprecher des Zollfahndungsamtes in Essen. Und auch Michael Nauth, Kreisgruppenvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) beim Landeskriminalamt NRW, hat die Erfahrung gemacht: „Es gibt im Rauschgiftschmuggel nichts mehr, was man ausschließen kann. Erfahrene Straftäter versuchen, sich un­seren Ermittlungsmethoden anzupassen.“ Schmuggler agierten „höchst professionell“, Taten seien häufig nur schwer nachzuweisen. Die Folge: „Die Ansprüche an die Kollegen bei der Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität steigen stetig.“

Wissen, Erfahrung –
und der „Polizeibauch“

Das Heroin im Kamin ist nur ein Beispiel, Ulrich Schulze vom Zollfahndungsamt zählt weitere auf: Da stellen sich 50 Kilo Badesalz als Partydroge „New Ecstasy“ heraus, und der Fahrradständer im Kleintransporter verbirgt einen aufwändig konstruierten doppelten Boden, in dem kiloweise Marihuana lagern. „Haschisch und Marihuana sind voluminös und schwieriger zu verstecken“, erklärt der Zoll-Experte. Bei Kokain hingegen seien vor allem die Südamerikaner „sehr trickreich. Bei Kokain geht fast alles.“

Der kriminellen Fantasie und Energie sind also kaum mehr Grenzen gesetzt. „Der Stoff kann verflüssigt werden, eingefärbt, irgendwo eingearbeitet“, zählt GdP-Mann Michael Nauth auf. Für die Ermittler von Zoll und Polizei heißt das: Auch in auf den ersten Blick harmlosen und gewöhnlichen Schachfiguren oder Bilderrahmen kann Rauschgift sein, selbst in Teppichfäden wurde schon Stoff entdeckt. „In sämtlichen Hygieneartikeln kann theoretisch auch Kokain versteckt sein“, erklärt Nauth. Cremedosen, Lippenpflegestifte, Windeln – alles schon gehabt. Und es wurden auch schon Schmuggler erwischt, die mit flüssig gemachtem Kokain Kleidung getränkt hatten. „Die ist dann natürlich schwerer“, erklärt Ulrich Schulze. Aber so weit muss man erst mal kontrollieren.

Technisch und rechtlich am Ball bleiben

„Beim Schmuggel werden legale mit illegalen Strukturen vermischt“, erläutert Michael Nauth. Welche Formen das annehmen kann, zeigte sich Ende März am Niederrhein: Dort meldete sich der Inhaber einer Bananenreiferei verzweifelt bei der Polizei. Zum siebten Mal hat er in einer Lieferung aus Südamerika Drogen entdeckt. 310 Kilo sind es diesmal, der größte Fund in NRW seit 20 Jahren. Fürs Dezernat zur Bekämpfung der organisierten Rauschgiftkriminalität beim LKA fängt da die mühsame Arbeit erst an. Wer sind die Hintermänner?

Selbstverständlich reagierten die Drogenfahnder auf die Entwicklungen – versuchten, technisch und rechtlich immer am Ball zu bleiben. „Das ist ein Riesenfeld“, sagt Nauth. Mit den Ansprüchen an die Ermittler steige jedoch auch die Aus- und Fortbildungsdauer des Personals. „Uns fehlen etliche Tausend Beamte im Land“, sagt der Gewerkschaftsmann. Und: „Wir könnten in jedem Deliktfeld die Aufklärungsquote deutlich erhöhen – wenn wir mehr Leute hätten.“ Immerhin sei die Problematik mittlerweile erkannt worden. Personal für die Polizei werde nicht nur nach Kosten, sondern nach den kommenden Pensionierungen errechnet. „Aber bis die Neueinstellungen wirken, sind die alten Kollegen jenseits der 50.“

„Geheimnis ist eine Summe
von Wissen und Erfahrung“

So lange werden diese weiter fahnden und ermitteln – und versuchen, so viele Rauschgiftschmuggler wie möglich hochgehen zu lassen. „Das Geheimnis ist eine Summe von Wissen und Erfahrungen“, sagt Michael Nauth – natürlich spiele auch der „Polizeibauch“ eine Rolle. Sprich: Intuition, die einen guten Fahnder ausmacht. Die kennt auch Ulrich Schulze, er formuliert sie nur anders: „Wenn man das tagtäglich macht“, sagt er, „dann erkennt man seine Schweine am Gang.“