Essen.

Die Zahl derEinbrüche in Nordrhein-Westfalen steigt deutlich. Gleichzeitig werden wegen Personalmangels immer weniger Fälle aufgeklärt. Nun setzt man auf Abschreckung per Gen-Partikelduschen.

In Kamp-Lintfort knac­ken Unbekannte am hellen Sommerabend ein Wohn- und Geschäftshaus. Sie erbeuten Computer und Bargeld. In Hagen brechen Täter mittags um 12 Uhr in eine Wohnung im ersten Obergeschoss ein. Neben Schmuck fallen ihnen zwei Sparbücher in die Hände. Die Polizei in Aachen meldet zwanzig Fälle von Homejac­king. Bei dieser Spielart der Alltagskriminalität entwenden Diebe aus Häusern die Pkw-Schlüssel und verschwinden mit dem hochwertigen Fahrzeug, das vor der Türe parkt. S-Klasse bevorzugt.

Die Liste ist ein Auszug aus der nordrhein-westfälischen Polizeibilanz von zwei Tagen in diesem Sommer. Sie macht klar: Die Einbrecher schlagen verstärkt zu. Wohnungseinbruch ist wieder Alltag geworden für die Ermittler. Die jüngsten polizeilichen Kriminalstatistiken in Bund und Land melden seit 2009 teils drastische Zunahmen dieser Delikte. Für Duisburg um acht Prozent, für Essen gar um 22 Prozent auf jetzt 2121 Fälle jährlich. Der Trend zur Beruhigung ist einfach abgerissen.

NRW ist inzwischen neben Bremen Einbruchsregion Nr.1 in Deutschland mit mehr als 2000 Fällen pro eine Million Einwohner.

Wer sind die Täter? Kann die Polizei sie fassen? Was schützt die Opfer?

Junkies und Banden

Rolf Jäger arbeitet als Leitender Polizeidirektor in Duisburg und ist stellvertretender Landeschef des Bundes der Kriminalbeamten (BDK). Er sucht Erklärungen für die Trendwende. Da sind die Junkies auf der einen Seite, die das Vermögen, das sie für ihren Drogenkonsum brauchen, zunehmend in Privathäusern statt wie bisher auf der Straße beschaffen. „Die Beschaffungskriminalität bei Betäubungsmitteln wird in den Städten wieder zum Problem“, sagt Jäger. Da sind andererseits die internationalen Banden, die ihre Leute in Südosteuropa rekrutiert haben. „Wie Hornissen“ fallen sie in zeitlichen Abständen über ganze Regionen her, formuliert Jägers Gewerkschaftsvorsitzender und Kollege Wilfried Albishausen seine Erfahrung. Jetzt ist Deutschland wieder dran. Eigentümer sind unaufmerksam geworden in der Zeit der Kriminalitätsberuhigung. Das nutzen die Bandenchefs.

Gerade den Banden könne man mit speziellen Ermittlungskommissionen beikommen, sagt Jäger. Nur: Die habe die Kriminalpolizei in NRW kaum. 8000 Leute tun bei ihr Dienst. 10 000 müsste sie haben, rechnet die Gewerkschaft aus. Außerdem: Eine spezielle Ausbildung für Kriminalpolizisten ist schon 1995 abgeschafft worden. Gerade in der Sachenfahndung nach Hehlerware, die im Internet stattfindet oder auch in Leihhäusern, herrscht Personal- und Fachkenntnismangel.

Die Aufklärungsquoten sind abgerutscht

Manchmal sind es ein oder zwei Posten in den Präsidien, die dafür abgestellt sind. Dazu kommt: Die Verfolgung von DNA-Spuren, die die Aufklärung von Verbrechen seit einiger Zeit erleichtern, stockt. „In den Polizeidirektionen liegen Halden von nicht abgeglichener DNA“, heißt es.

Im Ergebnis stehen die Ruhrgebietsstädte schlechter da als zuvor – und wohl auch als andere Kommunen. In der Rangfolge der Häufigkeit des Alltagsdelikts Wohnungseinbruch, die nach Fällen pro 100 000 Einwohnern gemessen wird, liegen elf NRW-Kommunen noch vor der Kriminalitätshochburg Berlin. Gleichzeitig sind die Aufklärungsquoten völlig abgerutscht: Acht Prozent der Einbrüche in Köln werden geklärt, elf Prozent in Essen und Düsseldorf, gerade 12,3 in Dortmund. Nur Duisburg und Bochum liegen etwas besser, erreichen aber bei weitem nicht den Anteil an aufgeklärten Verbrechen, den es Mitte der 90er-Jahre in NRW gab: Damals wurden in jedem fünften Fall die Täter dingfest gemacht.

Im Kampf gegen die steigende Zahl der Wohnungseinbrüche setzen die Sicherheitsbehörden deshalb auch auf neue Methoden. Auf Gentechnologien, zum Beispiel. Das Land Bremen testet im Großversuch, ob der Einsatz künstlicher DNA-Teilchen Räuber und Einbrecher abschreckt und hilft, Tätern auf die Spur zu kommen. In Großbritannien und den Niederlanden ist das System erfolgreich erprobt worden. Nordrhein-Westfalen wartet mit Spannung auf das Bremer Testergebnis, wobei dort erste Trends auch auf Erfolge hindeuten. Danach wollen sie über einen Einsatz der Methode an Rhein und Ruhr beraten.

Gen-Partikel-Duschen

In Bremen werden Eingangsbereiche von Tankstellen, Banken und Spielotheken mit „Duschen“ ausgestattet, die Haut und Kleider von Einbrechern beim Eindringen mit Gen-Partikeln besprühen. Die Teilchen haften sechs Wochen am Körper und können von Fahndern mit speziellen UV-Taschenlampen sichtbar gemacht werden. Bei einem zweiten Test werden in 1700 Privathaushalten, Kindergärten, Schulen und andere Einrichtungen Gegenstände mit einem ebenfalls unsichtbaren DNA-Lack versehen, der winzige Partikel mit eingravierten Nummern enthält. So wird Hehlern das Geschäft erschwert: Registrierte Gegenstände können dem Besitzer zugeordnet werden.

„Wir glauben vor allem an den Abschreckungseffekt“, sagt Bremens Polizeisprecher Gundmar Köster. Die in den Test einbezogenen Gebäude sind mit Hinweistafeln auf die mögliche DNA-Dusche versehen. Ergebnis: Die Einbrüche sind weniger geworden.