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Sandra Breil ist ratlos, weiß nicht, wie es beruflich weitergehen soll. Und das, obwohl die 22-Jährige viel zu bieten hat. Erst das Abi, dann die Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin. Um ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen, wird sie jetzt noch Übersetzerin. Die Gladbeckerin bewarb sich bei kleinen Betrieben, Konzernen und Zeitarbeits­firmen, in Düsseldorf und dem gesamten Ruhrgebiet. Und ging bislang leer aus. Sandra Breils schwerer Start ins Berufsleben ist kein Einzelfall, wissen Arbeitsmarkt-Experten. Und betonen, dass für die junge Generation beim Geldverdienen wohl nichts mehr so sein wird, wie es einmal war.

„Sollten alle Stricke reißen“, denkt die 22-Jährige bereits über eine dritte Berufsausbildung zur Dolmetscherin nach. „Obwohl das doch eigentlich nicht wahr sein kann.“ Werner Marquis, Sprecher der Regionaldirektion NRW der Bundesagentur für Arbeit, erstaunen die Probleme der Glad­beckerin nicht. „Die jungen Leute müssen heute zwei Hürden nehmen. Die erste von der Schule in die Ausbildung, die zweite von der Ausbildung in eine Anstellung.“ Überhaupt werde die ganze Berufsbiografie der Jugend anders ausfallen als die der Eltern. „Zeiten der Berufstätigkeit werden sich mit Zeiten der Weiterbildung, der Arbeitslosigkeit und mit Familienphasen abwechseln.“

Wer als junger Mensch einen Arbeitgeber findet, muss sich nicht selten mit befristeten Arbeitsverträgen, Minijobs, Teilzeitarbeit oder Tätigkeiten als Zeitarbeiter begnügen. In der Altersgruppe der 15- bis 24-Jährigen hätten solche „atypischen Arbeitsverhältnisse“ im Vergleich zum Jahr 2000 um 42 Prozent zugenommen, so das Statistische Bundesamt. Im gleichen Zeitraum schrumpfte die Zahl der 15- bis 24-Jährigen, die einen sozialversicherungspflichtigen Vollzeitjob haben, um 25 Prozent auf 1,2 Millionen.

Sandra Breil erzählt, wie schwer es ihr fällt, der Mutter „auf der Tasche zu liegen“. Ihre Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin für Englisch und Französisch hat rund 5000 Euro gekostet. Ein Übersetzungsbüro bot ihr eine unbezahlte Vollzeitstelle an. „Dreist. Ich kann es mir einfach nicht leisten, umsonst zu arbeiten.“ Ab Oktober wird die junge Frau auch Wirtschafts-Übersetzerin für Englisch sein. 50 Bewerbungen hat sie verschickt, erfolglos.

Noch Zukunftsmusik

Arbeitsagentur-Sprecher Werner Marquis macht Mut und verweist auf die immer älter werdende Gesellschaft. „Es beginnt die Zeit, in der mehr Leute aus dem Berufs­leben ausscheiden als Schulabgänger nachkommen. Das ist im Ruhrgebiet schon heute so.“ Dies beschere den Jungen viele Chancen. „Den Fachkräftemangel haben wir schon. Um auch künftig genügend qualifizierte Mitarbeiter zu bekommen, müssen sich die Firmen umstellen, auch beim Thema familiengerechte Arbeitszeiten.“

Für Sven Streit hört sich das noch nach Zukunftsmusik an. 2008 hatte er die Fachhochschulreife und wollte technischer Zeichner werden. Einen Ausbildungsbetrieb hat er nicht gefunden. Ein Schicksal unter 37 000. So viele junge Leute waren Ende Juli bei den Agenturen für Arbeit in NRW noch als Lehrstellensuchende gemeldet. Streit wird im September im Rahmen einer Einstiegsqualifizierung – ein Praktikum, das die Agentur für Arbeit finanziert – die Berufswelt eines Konstruktions­mechanikers kennenlernen. Der Firmenchef hat Interesse, ihn in eine Lehre zu übernehmen. Der 22-Jährige ist darüber „sehr glücklich. Denn im Moment wohne ich noch in meinem Kinderzimmer.“

Perspektive Zeitarbeit

Petra Timm ist Sprecherin von Randstad Deutschland. Das Unternehmen ist nach eigenen Angaben mit rund 50 000 Mitarbeitern die größte Zeitarbeitsfirma bundesweit. „Die Betriebe sind in der Furcht vor der nächsten Krise vorsichtig mit Festanstellungen“, erklärt Timm. Ihr Unternehmen arbeitet mit den Agenturen für Arbeit zusammen. Denn Zeitarbeit könne Perspektiven bieten. „Zwischen 20 bis 30 Prozent der Leute erhalten in Firmen, in denen sie als Zeitarbeiter waren, eine festen Arbeitsplatz“, sagt Timm.

Zeitarbeit war für Volker Wildenburg kein Thema. Er hat Journalismus und Technik-Kommunikation studiert. Danach suchte er ein Volon­tariat im TV-Journalismus. „Es gab nur lausig bezahlte Stellen als Praktikant.“ Anfang 2009 begann der heute 28-Jährige ein Praktikum bei einer Kölner TV-Produktionsfirma und stieg zum Volontär auf. „Das ging zwei Monate, dann musste ich gehen, weil 2009 der Werbemarkt im Rundfunk- und TV-Bereich wegbrach.“ Der Essener fand einen neuen Volontärsplatz bei einer Düsseldorfer TV-Produktionsfirma. „Das passt. Bis ich endlich an diesem Punkt war, hat es anderthalb Jahre gedauert.“

Ob Volker Wildenburg eine Festanstellung bekommt, ist noch nicht klar. „Die Ungewissheit nervt oft. Meine Mutter bezahlt noch meine Wohnung.“ Mit 28 Jahren, gesteht der Essener, „möchte man auf eigenen Beinen stehen“.