Dortmund. .

Weißes T-Shirt mit blauen Schmetterlingen, bildhübsches Gesicht, die zierliche Figur steckt in engen Jeans: Sandra Franz (31) ist die Ex-Frau des meistgesuchten Verbrechers Deutschlands. Sie hatte ihre große Liebe Norman Franz einst im Gefängnis geheiratet, verhalf ihm zur Flucht, begleitete den fünffachen Killer auf seinen Mord- und Raubzügen durch Europa. Gestern kam Sandra Franz, die seit der Scheidung ihren Mädchennamen angenommen hat, als Zeugin ins Dortmunder Schwurgericht.

Handgranate im Keller

Hier läuft seit Mai das Verfahren gegen den sechsten Mann der „Syburg-Attentäter”. Der Marokkaner war erst im Dezember festgenommen worden, war seit dem Mai 1995 auf der Flucht. Damals hatte er mit Norman Franz und vier weiteren Verbrechern im idyllischen Wannebachtal beim Kampf um Zigarettenschmuggel brutal zugeschlagen: Eine Handgranate krachte in den Wagen eines Polen, das zweite Opfer knallte Norman Franz kaltblütig ab.

Schon damals war er mit Sandra befreundet. Doch sie und seine Mutter, die die At-tentäter oft bewirtete, wussten nichts Erhellendes zu berichten. „Norman hat mir mal eine Granate im Keller gezeigt“, sagt Sandra. „Wer die mitgebracht hat, weiß ich nicht.”

Ein Jahr nach dem Angriff auf die Polen wird Norman Franz 1996 mit seinen Freunden zu lebenslanger Haft verurteilt, dabei stellt das Gericht auch die besondere Schwere der Schuld fest. Schon damals kam Sandra zu jedem Verhandlungstag, ließen sich die beiden nicht aus den Augen.

Was folgt, über all das redet die Mutter eines zwölfjährigen Kindes, das auf der Flucht geboren wurde, nicht gern: Im Gefängnis heiratet sie im Mai 1996 ihre große Liebe, verhilft ihr kurz darauf zu Flucht. Zusammen mit der Schwiegermutter, einer kleinen mageren Frau, die in ihrem schwarzen Pulli zu versinken drohte. Und es faustdick hinter den Ohren hat. „Stimmt, ich habe diese kleine Feile in Sandras Gürtel genäht”, sagt sie ungerührt. Eine hauchdünnes Sägeblatt, „Engelshaar” genannt, das Sandra Franz ihrem Ehemann bei einem Besuch im Hagener Gefängnis übergibt.

Mutter Franz ist es auch, die das Fluchtauto beschafft, in dem das junge Paar an der nächsten Ecke in die Freiheit düst – und ihrem Sohn vorher noch eine scharfe Pistole gibt. Darauf angesprochen, zuckt sie nur die Schultern. Die Worte des Schwurgerichtsvorsitzenden scheinen an ihr abzuprallen: „Immerhin ist anzunehmen, dass mit dieser Waffe später drei Menschen erschossen wurden.” Wegen Gefangenenbefreiung wird Mutter Franz 2002 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr mit Bewährung verurteilt.

Und Sandra Franz? Die will „am liebsten alles vergessen”. Vergessen, dass auf ihrer Flucht ein Geldbote in Weimar stirbt. Vergessen, dass Norman Franz im Juli 1997 in Halle zwei Wachtmeister eines Geldtransporters erschießt. Er raubt 500 000 Mark und flüchtet mit Sandra nach Portugal. Im sonnigen Albufeira arbeitet Norman Franz als Immobilienmakler, als die Polizei die Familie – der Sohn ist inzwischen geboren – im Oktober 1998 beim Verlassen eines Supermarktes überwältigt. Sandra wird in Halle zu einer Jugendstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Ihrem Mann gelingt einen Tag vor der Auslieferung nach Deutschland erneut eine spektakuläre Flucht aus dem Zentralgefängnis in Lissabon.

„Ich habe gehört, er soll als fremder Passagier in einem Auto herausgekommen sein”, sagt seine Ex-Frau. Das ist elf Jahre her. Seitdem ist Norman Franz untergetaucht. Die Frauen reagieren mit Schulterzucken: „Keine Ahnung, wo er ist. Wenn ich was wüsste, hätte ich das doch längst gesagt.”