Gelsenkirchen. .

„Halleluja!“, sagt Steven Sloane, als der Tag zu Ende ist, vermutlich lobt er auch Gott damit, noch mehr aber seinen Chor: den größten, den er je hatte und den die Welt je sah. 60 000 Sänger in der Arena auf Schalke. „Dieser Klang!“ Sowas, sagt der Dirigent, „habe ich noch nie erlebt“. Und ist fortan, was ein Sloane selten ist: „Sprachlos.“

Dabei ist gerade das „Halleluja“ im Hallenrund das Einzige, das ihm nicht gleich gefallen will: Da hält er glatt den Händel an. Und schiebt kurz ein, was dieser gewaltige Chor niemals hatte – eine Probe. Die Halbprofis auf dem Spielfeld haben natürlich geübt für dieses Programm, das Beatles genau so trägt wie Beethoven. Gut 50 000 andere aber sind nur da aus lauter Spaß an der Freude, die gemeinsames Singen macht. Das hätte schief gehen und klingen können – doch dieser Chor, das ist das Erstaunliche, kann, was nicht viele Chöre können: leise singen. Und zuhören.

Deshalb wächst leise schon vor den ersten Tönen die Gänsehaut: Da stehen die Leute auf, obwohl niemand es ihnen gesagt hat, bis in die obersten Ränge, und wenn noch irgendetwas zu hören ist außer Musik, dann ist es das synchrone Umblättern der Liederbuchseiten. Oder die aufregenden Klänge, die die „Wise Guys“ ihrem größten Publikum entlocken. Und vorn, der Dirigent, er lacht. Lacht, weil sie ihm folgen, lacht, weil der Klang zusammenhält: den Schall, das Orchester, die Solo-Künstler, Schalke- und BVB-Fans. Sloane hat es probiert: keinerlei Dissonanzen!

Auch nicht zwischen Alten und Jungen, die sogar tanzen, nicht zwischen Pop- und Opernsängern, nicht zwischen Jazz- und klassischen Solisten: Am Ende singen Bobby McFerrin, mit dem das „Ave Maria“ jeden Kitsch verliert, und Vesselina Kasarova gemeinsam. Grönemeyer war nicht da. Schön geschrieben, möchte man fast sagen, aber gesungen haben die Menschen sein „Komm zur Ruhr“ noch schöner. Die können aber auch Carmen und McCartney.

Eine Volksbewegung

Arm in Arm lassen sie die letzten Akkorde dieses langen Tages klingen, Feuerwehrmänner knicksen zu „Land of Hope and Glory“, der schwedische „Motettkören“ steht auf den Stühlen, der Gebärdenchor winkt. Die Kulturhauptstadt ist eine Volksbewegung geworden. Halleluja.