Aachen. .
Michael Heckhoff und Peter Paul Michalski - die beiden Schwerverbrecher flohen 2009 spektakulär aus der JVA Aachen. Nun stehen sie vor Gericht. Auch ein Gefängniswärter ist angeklagt.
Heckhoff und Michalski. Diese Namen gehören zusammen und werden in der Erinnerung immer ein Pärchen bleiben: Heckhoff und Michalski. Zwei Ausbrecher, die im November 2009 für Tage das Land in Atem hielten, zwei bewaffnete Schwerverbrecher, die aus dem Aachener Gefängnis türmten, die auf der Flucht über Köln, Essen, Mülheim Geiseln nahmen, bevor man sie endlich fasste. Heckhoff und Michalski, diese zwei. Doch im Mittelpunkt ihres ersten Prozesstags stand am Donnerstag ein anderer: der dritte Mann.
Einer, der eigentlich auf der anderen Seite des Gesetzes stehen sollte, Justizhauptsekretär Michael K., 45. Denn ausgerechnet der Beamte des Strafvollzugs wurde damals als erster verhaftet. Weil er, der Heckhoff (51) und Michalski (46) am Abend des 26. November eigentlich bewachen sollte, ihnen stattdessen den Weg in die Freiheit geebnet haben soll. Einen „von allen verabredeten und geplanten Ausbruch“ klagt Oberstaatsanwalt Alexander Geimer an.
Eine Pistole soll der dreifache Familienvater den Männern besorgt haben, als Gegenleistung dafür, dass sie ihm illegale Geschäfte im Knast vermittelten. Er soll mindestens vier Türen aufgeschlossen haben und Handschellen herausgerückt, mit denen die Flüchtenden einen weiteren JVA-Beamten fesseln und knebeln konnten. Er soll sie hinausgeschleust und ihnen weitere scharfe Waffen aus dem Tresor mitgegeben haben, damit Heckhoff und Michalski draußen Banküberfälle begehen könnten – und die Beute mit ihm teilen. Es ist wohl Zufall, dass K. im Aachener Landgericht auch in der Mitte sitzt, aber daher gut zu sehen, wie der bullige Mann mit dem Bürstenschnitt sich hinter der Brille die Augen wischt. An der Seitenwand sehen die beiden Ausbrecher manchmal belustigt aus, als könnten sie ihre eigene Geschichte nicht glauben. Und überhaupt ist Michael Heckhoff das Lachen, mit dem er von seinem Fahndungsfoto blickte, auch ein halbes Jahr später nicht vergangen. Mit weißem Hemd und erhobenem Daumen ist er hereingeschlurft an seinen Fußfesseln, hat sich als „Berufsverbrecher“ vorgestellt. „Heckhoff ist schuldig“, sagen seine Anwälte.
Er ist es, der damals in Mülheim gefasst wurde, sofort aussagte -- am ersten Verhandlungstag aber lieber schweigen will: Justizbeamter K. solle zuerst reden, „weil er von uns am meisten zu verlieren hat“. Dieser Meinung sind offenbar auch dessen Verteidiger; sie beantragen zu Prozessbeginn die Einstellung des Verfahrens, wollen sogar die Justizministerin als Zeugin laden. Die Ermittler hätten gezielt Informationen an die Medien gestreut, eine „Verletzung der Unschuldsvermutung“ sei das, eine „Vorverurteilungs-Kampagne“ und also ein „Verstoß gegen die Menschenrechte“. Ein faires Verfahren gegen ihren Mandanten sei nicht mehr möglich.
Handel hinter Gittern
Doch dadurch, dass sie Presseberichte umständlich verlesen, erfährt das Publikum erst, was es über den dritten Mann vielleicht noch gar nicht wusste: dass er Schulden gehabt haben soll, hinter Gittern einen schwunghaften Handel mit Elektroartikeln betrieben, dass er im Karnevalsverein war, welche Überwachungskamera ihn wann wobei gefilmt hat und welche SMS er seinen Noch-Schützlingen am Abend ihrer Flucht geschickt haben soll: „Noch eine halbe Stunde, und das Paradies liegt vor euch.“
Das Paradies aber währte nur wenige Tage, und für fünf Menschen, die die Ausbrecher unterwegs trafen, war es die Hölle: Zwei Taxifahrer nötigten Heckhoff und Michalski laut Anklage, sie nach Köln zu fahren, eine 19-jährige Schülerin zu einer Fahrt nach Essen. In Kettwig stiegen sie aus, in Werden ins Schlafzimmer eines Ehepaars ein. Ließen sich Wäsche waschen, Essen kochen und nach Mülheim fahren, wo sie in eine weitere Wohnung eindrangen.
Peter Paul Michalski entschuldigt sich dafür. Man habe aber versucht, dabei keine Gewalt anzuwenden. Stark abgemagert und mittlerweile kahlköpfig hockt er da, „immer ein Außenseiter“. Seine Anwälte lässt er verlesen, er habe keinen Ausweg mehr gesehen: 16 Jahre Einzelhaft hätten ihn, der einst einen Komplizen ermordete, zermürbt, nicht einmal seine kranke Mutter habe er besuchen dürfen.
Gefahr für Allgemeinheit
Nun aber wird seine erneute Haft bis mindestens 2021 dauern. „Ausgeprägte Neigungen zu Rechtsbrüchen“ erkennt der Staatsanwalt bei beiden Ausbrechern, die ja schon „Lebenslang“ mit Sicherungsverwahrung haben; sie seien „gefährlich für die Allgemeinheit“.
Und auch der Dritte im angeblichen Bunde, JVA-Beamter K., wird vorerst selbst Häftling bleiben müssen, wo er einst Wachmann war: Der Antrag auf Einstellung seines Verfahrens wurde zurückgewiesen.