Bochum/Leipzig. .
Das Bundesverwaltungsgericht berät am Mittwoch über die Querspange, ein kleines Stück Autobahn, das die A 40 deutlich entlasten soll. Doch Ausbaugegner fürchten, die Straße verursache nur noch mehr Verkehr.
Während diese Zeilen geschrieben werden, sitzt er längst im Zug nach Leipzig, Dienstagnachmittag, in „fiebriger Erwartung“, wie Eckard Stratmann-Mertens es selbst beschreibt. Denn für den Bochumer Gymnasial-Lehrer wird am Mittwoch „gerichtet über 15 Jahre Arbeit“, seine Arbeit und die der ganzen „Bürgerinitiative Bochum gegen die DüBoDo“. Denn das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entscheidet über die so genannte Querspange, jene Autobahn-Trasse, die im Bochumer Osten gebaut werden soll, um eine der letzten Lücken des Autobahn-Netzes im Ruhrgebiet zu schließen.
Noch ist es ein vogelzwitscherndes Idyll, liegt direkt neben dem großen Opel-Werk 1 und in Sichtweite der riesigen Ruhr-Uni-Wohnstadt; ist wie ein Flecken Elfringhauser Schweiz, das auf unbegreifliche Weise überlebt hat in der großen Stadt: Fachwerkhäuser, Weizenfelder, ein Bach und das 1000 Jahre alte Rittergut Laer; Haarnadelkurven und Tempo 30 auf Straßen, die nicht ohne Grund Höfestraße heißen oder Schattbachstraße – und der Bus fährt hier stündlich.
110.000 Fahrzeuge täglich
Der Verkehr, darf man prophezeien, wird deutlich zunehmen. Denn geht es nach den Planungen des Landesbetriebes „Straßen NRW“, dann wird ein erheblicher Teil dieses Siepens für 48,4 Millionen Euro zu weiteren 2,9 Kilometern DüBoDo. Das gehört zur sogenannten „Bochumer Lösung“, die, wenn man nicht zu sehr in die Details eintauchen will, so geht: Bochum bekommt durch mehrere Neu- und Ausbauten einen lückenlosen Autobahnring, bisher die große Unvollendete, damit der Ruhrgebietsverkehr die Stadt besser umfließen kann. „Wir müssen die Verkehrsströme besser wegkriegen, die 110.000 Fahrzeuge täglich auf der A 40“, sagt Rolf Witte, der Projektleiter dieser „Bochumer Lösung“.
Die Querspange. Sie war eine Idee der 70er-Jahre, wurde dann aber wieder verworfen, um Mitte der 90er-Jahre als einer der Grundsatzkonflikte in den rot-grünen Koalitionsverhandlungen in Düsseldorf zurückzukehren. Der damalige NRW-Verkehrsminister Wolfgang Clement (SPD) machte diesen Anschluss so sehr zu seinem Ding, dass Düsseldorfer Korrespondenten noch heute von der „Clement-Spange“ reden.
Am Rande geht es auch um die Wasserralle
15 Jahre später also sitzt Eckard Stratmann-Mertens, einer der Sprecher der Bürgerinitiative, im Zug gen Leipzig. „Hervorragend vorbereitet“ auf diese Erörterung vor dem Bundesverwaltungsgericht, wie er selbst es einschätzt. Er weiß, was ihn erwartet. Es wird um Verkehrsmengen gehen, um Lärm und Feinstaub und natürlich auch um das Biotop als solches, präzise: um die seltene Wasserralle, eine Vogelart, die wegen der neuen Trasse umgesiedelt werden muss. Letzteres ist natürlich nur ein untergeordnetes Thema.
Stratmann-Mertens reist nicht allein, ihn begleiten elf Mitstreiter, erfahrene Initiativler und Anwohner, die sich für die Gerichtsverhandlung eigens einen Urlaubstag genommen haben. Ebenso vertreten ist die Gegenseite, „Straßen NRW“ mit der Planungsleiterin Elfriede Sauerwein-Braksiek an der Spitze.
Gericht wies etliche ähnliche Klagen ab
„Wir haben schon diverse A44-Verfahren in den letzten Jahren erlebt“, sagt Gerichtssprecherin Sibylle von Heimburg. Alle, bis auf eines in Hessisch Lichtenau, wurden gegen die Anwohner entschieden; letztlich sogar auch dieses, nachdem die Pläne überarbeitet worden waren. Von Heimburg geht davon aus, dass die Verhandlung zur Querspange bereits am Mittwoch beendet werden könnte. „Unvorstellbar“ für die Bochumer angesichts der vielen gewichtigen Dinge, die sie vorbringen wollen. Auch über das A-44-Stück Ratingen-Velbert habe derselbe Senat im letzten Sommer zwei Tage beraten.
Doch sie sind Realisten, rechnen sich allenfalls eine „Außenseiter-Chance“ aus und halten es für wahrscheinlich, dass sie eine Niederlage erleben. Was sie sich erhoffen, ist, dass sie ein neues Verkehrs-Gutachten durchsetzen können. Ihrer Meinung nach wird die neue Trasse erheblich mehr Autos anlocken, als es das vorliegende Gutachten berechnet. Ein Streit um Zahlen ist das, der auch schon auf etlichen Podiumsdiskussionen ausgetragen wurde; Vertreter der ausbauwilligen Stadtverwaltung Bochum sagen an dieser Stelle immer gerne: „Wir haben nicht auf Prophet gelernt, wir stützen uns auf Prognosen.“ Würde es ein Bürgerbegehren geben, das weiß auch die Initiative, dann wäre „eine große Mehrheit in der Opel-Stadt Bochum für den Ausbau“.
Mehrheit der Bochumer wohl für den Ausbau
Rolf Witte, der Diplom-Ingenieur und Ausbau-Chef der „Bochumer Lösung“, wird den Tag verbringen wie viele andere: Ein bisschen im Büro arbeiten, doch viel lieber auf seiner Baustelle, dem sechsspurigen A-40-Ausbau im Bochumer Westen, der zu der Gesamtlösung dazugehört. Mit seinem Pickup unterwegs sein, über Stock und Stein, Trasse entlang, Aushub runter, Allradantrieb rein; hier ein Problem lösen, dort den Stand der Dinge überprüfen, da mit den Bauarbeitern reden. „Ich bin nun mal ein Straßenbauer“, sagt Witte: „Das muss laufen, dann macht es Spaß.“