Wuppertal/Remscheid. .

Nach dem Tod einer Besucherin im Remscheider Gefängnis werden die Treffs in den Liebeszellen für eine Woche ausgesetzt. Vielleicht auch länger, solange nicht klar ist: Wie kam der Mann an die Tatwerkzeuge, und wie schmuggelte er sie in den Raum?

Ihm hätte das niemand zugetraut, nein, ihm nicht. Im Remscheider Gefängnis betreute der 50-Jährige die Bücherei, war aktiv in verschiedenen Freizeitgruppen und „spielte eine durchaus positive Rolle“, so Anstaltsleiterin Katja Grafweg. Was also geschah im Langzeitbesuchsraum zwischen zwei Menschen, die doch eigentlich „ein gemeinsames Leben nach der Strafentlassung geplant hatten?“, so Grafweg.

Genau wird man es erst erfahren, wenn der Mann aussagen kann; zunächst jedoch wird er selbst noch im Justizkrankenhaus Fröndenberg behandelt, weil er versucht hatte, sich die Pulsadern aufzuschneiden.

Begonnen hatte der Sonntag aus der Sicht der Wärter wie so viele zuvor: Gegen halb zehn in der Frühe erscheint die 46-jährige Verkäuferin aus dem Kreis Warendorf in Remscheid, trifft ihren Lebensgefährten in der sogenannten Liebeszelle, wie schon dutzende Male seit 2006. Erst sechs Stunden später, als die Besuchszeit abgelaufen ist, betritt ein Beamter den Raum. Er findet die Frau tot, sie hat vier Stichwunden im Oberkörper, eine Wunde wie von einem schweren Schlag am Kopf und Würgemale am Hals. Er findet den Täter, den 50-Jährigen, bewusstlos auf dem Sofa, mit verletzten Handgelenken. Er findet Hinweise, dass sie Sex hatten, und frische Schriftstücke des Mannes „ohne direkten Bezug zur Tat“, so Staatsanwalt Heribert Kaune-Gebhardt. Und er findet schließlich zwei Messer und einen Radmutternschlüssel, die nie und nimmer hier sein dürften; Handwerkszeug, das der 50-Jährige Düsseldorfer sich wahrscheinlich im Gefängnis organisiert hatte, um es hier als Waffen zu nutzen.

Denn gemordet hat er schon einmal, 1991; er brachte damals auf brutale Weise ein neunjähriges Mädchen in Düsseldorf um, das er zuvor vergewaltigt hatte. Im Gefängnis benahm er sich dann musterhaft, doch ein Makel blieb: Als sein „lebenslänglich“ nach 15 Jahren turnusmäßig überprüft wurde, verlängerte ein Gericht die „Mindestverbüßungszeit“ auf 20 Jahre: „Es war sich nicht sicher, ob seine Gefährlichkeit überwunden war“, sagt Katja Grafweg, die Leiterin.

Positive Erfahrungen

Doch nun war er auf dem besten Weg, führte sich gut, und in wenigen Wochen hätte die erneute Überprüfung beginnen sollen, ob man ihn nach den 20 Jahren entlassen kann. Wohl eher ja. 2011. Ein neues Leben würde beginnen – und dann muss irgend etwas schief gegangen sein in dieser Beziehung.

Tatort Liebeszelle, das gab es noch nicht. Man muss sie sich vorstellen wie ein Mini-Appartement: ein Raum, Kochecke, Geschirrschränke, Klappsofa, Tisch und Stuhl; davon abgetrennt, Toilette und Dusche. „Angriffe, Übergriffe oder Gewalttätigkeiten gegen einen Besucher sind noch nie passiert, seit das 1994 bei uns eingerichtet worden ist“, sagt Katja Grafweg – und allein 2009 gab es in Remscheid 1750 solcher Besuche. Im ganzen Land sind die Erfahrungen positiv. Sie sollen Inhaftierten ermöglichen, den Kontakt zu engen Angehörigen aufrechtzuerhalten, insbesondere, wenn sie sich der Entlassung nähern. Deshalb wird das Geschehen in der Liebeszelle auch nicht überwacht, freilich gibt es einen Alarmknopf, der Licht und Ton auslöst – doch nichts derartiges geschah in Remscheid.

„Als der Beamte die Zelle betrat, war die Frau schon einige Zeit tot“, sagt der Leiter der Wuppertaler Kriminalinspektion 1, Tobias Clauer. Kennengelernt hatten sich die beiden 2005; auf welchem Weg, ist unklar, doch offenbar seit 2006 betrachteten sie sich als Paar. Nun hinterlässt sie ein Kind aus einer vorherigen Beziehung.