Dortmund.
Wie effizient ist das „Übergangssystem”, das schwer vermittelbaren Schulabgängern zum Job verhelfen soll? Einzelne Daten legen nahe, dass nur etwa ein Drittel einen festen Job findet. Der Rest steht hinterher auf der Straße oder parkt in der nächsten Maßnahme.
An Autos schrauben – das wäre der Traumjob für Lukas Resztak gewesen. Doch als Mechatroniker-Lehrling wollte ihn keiner. Überhaupt war es nicht leicht mit den Bewerbungen. „Schlechte Noten”, erinnert sich der 20-Jährige. Kommt bei den Chefs gar nicht gut an. Nun streicht Lukas Wände, Türen und Tapeten auf seinem Weg zum Bauten- und Objektbeschichter. Klingt unspektakulär, aber Lukas darf sich freuen. Er hat sogar ein großes Los gezogen. Der Dortmunder bekommt etwas, was ihm, dem Hauptschüler, der Arbeitsmarkt wahrscheinlich vorenthalten hätte: eine vollwertige Berufsausbildung.
400 000 drehen Warteschleifen
Lukas ist auf dem „3. Weg”. So heißt ein Pilotprojekt des NRW-Arbeitsministeriums mit 13 anerkannten Ausbildungsberufen. Jugendliche, die „ausbildungswillig, aber noch nicht ausbildungsreif” sind, werden auf die Kammerprüfung vorbereitet. Das darf auch mal etwas länger dauern: bis zu fünf Jahre für einen nach üblichen Regeln zweijährigen Ausbildungsberuf. Der „3. Weg” steht aber nicht vielen offen. 900 Teilnehmer erreicht das Projekt – eine Nische im Gewirr der Weiterbildungsangebote für Schulabgänger.
Dieses Gewirr heißt offiziell „Übergangssystem”. Inoffiziell nennt man es „Parkplatz” oder „Warteschleife”. 64 000 junge Frauen und Männer aus NRW sind hier derzeit abgestellt. Bundesweit drehen 400 000 ihre Warteschleifen. Sie haben keine Lehrstelle, darum sollen sie lernen, praktizieren und sich qualifizieren, damit der Arbeitsmarkt sich ihrer eines Tages erbarme. Das System ist kompliziert. 16 Angebote gibt es in NRW, sie heißen zum Beispiel Berufsgrundschuljahr, Einstiegsqualifizierung oder Bildungsmaßnahmen der Arbeitsverwaltung.
„Durch diesen Förderdschungel blickt keiner mehr durch”, sagt Dieter Euler, Professor für Wirtschaftspädagogik an der Uni St. Gallen. Euler hat für die Bertelsmann-Stiftung das Übergangssystem in NRW untersucht. Auf die Frage, welche Schulnote das System verdiene, sagt Euler: „Vier minus oder mangelhaft.” Erstens, weil es teuer sei (fünf Milliarden Euro im Jahr) und zweitens, weil es vor allem kosmetische Wirkung auf die Arbeitslosenstatistik habe.
Einer der Leuchttürme
Übrigens: Wer mit 24 Jahren noch keinen Ausbildungsplatz hat, der taucht in der Statistik gar nicht mehr auf. Für den Wissenschaftler Euler ist der „3. Weg” einer der wenigen „Leuchttürme” im Übergangssystem. Auch Norbert Wichmann vom Deutschen Gewerkschaftsbund lobt: „Hier werden eigentlich chancenlose Jugendliche eben nicht in die Warteschleife gestellt, sondern direkt in die Lehre gebracht.” An kaum einer anderen Stelle im Übergangssystem beweise der Staat so viel Verantwortung wie beim „3. Weg”.
„Unsere Toleranzgrenze ist größer als in den meisten Firmen draußen”, versichert Markus Marré, Ausbilder bei Dobeq, der Dortmunder Beschäftigungs-, Qualifizierungs- und Ausbildungsgesellschaft der Arbeiterwohlfahrt. Bei seinem Lehrling Lukas Resztak muss er sich keine Sorgen machen. Aber der ein oder andere legt auf dem 3. Weg Pausen ein, kommt zu spät zur Arbeit, taucht gar nicht erst auf oder sammelt Krankenscheine.
Handwerksmeister, Pädagoge und Motivator
„Ich bin gleichzeitig Handwerksmeister, Pädagoge und Motivator”, sagt Marré. Er setzt mehr auf Praxis als auf Theorie. Das kommt an bei den 18- bis 26-Jährigen. Und zusätzlich zur Berufsschule bekommt jeder noch zusätzlichen Unterricht bei einem „Stützlehrer”. Von den zwölf Azubis aus Dortmund und Lünen, die sich 2006 bei der Dobeq auf den 3. Weg machten, haben inzwischen drei einen Gesellenbrief in der Tasche und arbeiten in ihrem erlernten Beruf.
„Die Jugendlichen werden von den Argen oder der Agentur für Arbeit geschickt. Sie lernen ihren Beruf auf Baustellen und in der Dobeq-Werkstatt, sie gehen zur Berufsschule und bekommen zusätzlich Hilfe von Bildungscoaches”, erzählen Ute Möller-Rybarczyk und Brigitte Exius-Büggemann, die die Auszubildenden für die Dobeq betreuen.
Solch intensive Hilfestellung ist eher die Ausnahme im Übergangssystem. Jörg Dräger von der Bertelsmann-Stiftung spricht gar von einem „Etikettenschwindel”: „Der Flickenteppich aus Einzelmaßnahmen schafft selten Übergänge zwischen Schule und Arbeit, und er ist überwiegend systemfrei.”