Essen. .

Das Autokino in Deutschland wird 50 Jahre alt. Aber seine besten Zeiten hat es lange hinter sich. Man kann knutschen, kuscheln, rauchen, quatschen und seine Haustiere mitbringen. Einige wenige überleben jedoch, unter anderem in Essen und Köln.

Im März 2008 kam es im Essener Norden zu einer Filmpremiere, wie Deutschland sie noch nie gesehen hatte: Sönke Wortmanns „Hardcover“ wurde uraufgeführt – in einem Autokino. In Erinnerung bleibt, dass nach dem Ende des Films nicht geklatscht wurde, sondern beifällig gehupt, hup, hup; das erinnert stark an den lustigen Brauch der Comicfreunde der „Donaldisten“, die auf ihren Kongressen ebenfalls nicht klatschen, sondern „Klapp Klapp“ rufen – gehört jedoch leider keinesfalls hierher.

Jedenfalls war an jenem Abend keinen Moment zu übersehen, dass man sich im Autokino befand: „Es war arschkalt“, erinnert sich einer, der dabei war. Der Film aber hinterließ einen guten Eindruck, soweit man das beurteilen konnte durch die rasenden Scheibenwischer hindurch.

Man sieht es schon: Der Spaß hängt ein bisschen am Wetter, viele Autokinos in Deutschland spielen deshalb sowieso nur zwischen März und Oktober – und das ist schon mutig! Heiko Desch würde jetzt endlich viel lieber zu den Vorzügen des Autokinos kommen, der vergleichsweisen Privatheit zum Beispiel: „Man kann rauchen, rascheln, quatschen und seine Haustiere mitbringen“, sagt der 37-Jährige; also alles tun, was im Schutz von Dunkelheit und eigenen vier Wänden möglich ist. Ja, es soll sogar vorgekommen sein, dass „besorgte Eltern mit der Taschenlampe durch die Reihen der Autos gingen, während die Tochter längst geflüchtet war“. Das behauptet zumindest die ,Wirtschaftswoche’, doch lässt sie völlig offen, ob die Eltern die Töchter beim Rauchen erwischen wollten oder ob sie die Haustiere suchten.

Premiere mit „Der König und ich“

Egal. Theaterleiter Desch hat heute Grund zu feiern. Das „Drive-in-Autokino“ in Gravenbruch bei Frankfurt/Main wird nämlich 50 Jahre alt, das er leitet, und es war auch noch das erste in ganz Deutschland. Ausweislich der Kassenbücher „begann am 31. März 1960 die Regelbespielung“, so Desch. Mit „Der König und ich“, mit Deborah Kerr und Yul Brunner, und zudem kam erstmals eine US-Spezialität auf den Grill, die die Deutschen noch nicht so kannten: sogenannte Hamburger.

Da passte dann aber auch alles. Denn Kino aus dem Auto zu gucken, hat etwas sehr Amerikanisches („My car is my castle“). Und siehe da, so war es auch: Als Erfinder des Autokinos gilt ein Richard Milton Hollingshead, der eigentlich mit Autozubehör und Autopflegemittel handelte und angeblich mit dem Kino seinen sonstigen Umsatz aufpolieren wollte. Seit dem Ende der 1920er-Jahre experimentierte er mit Projektor und Garagentor, und am 6. Juni 1933 eröffnete Hollingshead das „Camden Drive-In Theatre“ in Camden/New Jersey. Von dem Premierenfilm „Wife aware“ ist nur noch bekannt, dass er der Premierenfilm im ersten Autokino war.

Action in Minidomm

Die 60er- und 70er-Jahre sind ihre große Zeit. Neben der A 52 flimmert nicht gerade Filigranes über die Leinwand. Fassbinder und Ford Capri, das hätte sich wohl auch nicht gut vertragen. „Vier im rasenden Sarg“ schon eher. Das Autokino Minidomm am Breitscheider Kreuz lockt zu dieser Zeit mit Filmfutter, zu dem ein grollender Achtzylinder die beste Untermalung wäre. Zumal der Lautsprecher, den man sich ans Gefährt klemmt, keinen Goggomobilfahrer glücklich machen könnte: Der jämmerliche Ton kann nicht mal mit den Einweg-Kugellautsprechern auf der Hutablage konkurrieren. Was will man für vier Mark Einfahrtsgeld verlangen?

Doch: Hätte man im Innenstadtkino derart lässig die Füße ausstrecken können wie im Opel Rekord? Zur fortgeschrittenen Stunde knipst man den Ton auch mal für ein paar Minuten aus und synchronisiert selbst. Im Zweifelsfall mit höherem Unterhaltungswert. Doch das Niveau sinkt zu dieser Zeit, in vielen Autokinos laufen jetzt Sexfilme; es ist das folgerichtige Ende für viele, als das Medium Video auftritt und mit ihm sozusagen der Sexfilm to go.

Heute, 30 Jahre später, sind sie nur noch eine Handvoll in Deutschland. Eigentlich nichts anderes als riesige, eingezäunte, schlecht einzusehende Parkplätze am Rande der Stadt; die Kassenhäuschen sehen aus wie bei dem Kreisligisten ihres Vertrauens, und dann sucht man seinen Platz auf dem leicht wellenförmigen Asphalt – das Auto steht vorne leicht höher, das verbessert die Sicht auf die riesige Leinwand. Großes Kino!

„100 000 Gäste im Jahr“

„Fünf richtige Autokinos gibt es noch“, sagt Desch in Gravenbruch; die offizielle Liste ist länger, doch sind die meisten andern für ihn „Saisonbetriebe auf Supermarktparkplätzen“. Dabei ist der Theaterleiter vom Fortbestehen seiner winzigen Branche überzeugt. „Schwankungen gibt es, seit es das Filmgeschäft gibt“, sagt er: „Wir haben 100 000 Gäste im Jahr, davon können viele andere Kinos nur träumen.“ Hup, Hup!