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Akin Sipal, der intelligente Abiturient aus Gelsenkirchen (siehe oben), ist offenbar nicht allein. Viele gut ausgebildete türkischstämmige Jugendliche tragen sich mit dem Gedanken, Deutschland nach ihrer Ausbildung zu verlassen, bestätigen Studien.

Rund 35 Prozent der türkischen Akademiker wollen nach einer Erhebung des Dortmunder sozialwissenchaftlichen Instituts „Futureorg“ in die Türkei abwandern. Befragt wurden 250 türkische und türkischstämmige Hochschulabsolventen, von denen etwa drei Viertel hier geboren wurden. Als wichtigsten Grund für ihre Entscheidung nannten 41 Prozent, dass sie sich in Deutschland nicht heimisch fühlten. Während sie von anderen Ländern wegen ihrer Ausbildung und ihrer Mehrsprachigkeit umworben werden, fühlen sie sich in Deutschland offenbar missachtet und ausgegrenzt. „Es hat uns überrascht, wie viele junge Akademiker ausreisen wollen“, sagte Kamuran Sezer der WAZ. Der Sozialwissenschaftler leitet für das Institut die Studie über „Türkische Akademiker und Studierende in Deutschland“ (TASD).

„Es gibt eine hohe Abwanderungsbereitschaft in der türkischen Gemeinschaft“, sagt Sezer. Die Frage ist aber, ob dieser grundsätzlichen Bereitschaft auch tatsächlich die Ausreise folgt. Neuere Zahlen zeigen, dass zwischen Wunsch und Wirklichkeit zwar eine deutliche Kluft liegt, doch hat sich seit 2002 die Zahl der Personen mit deutschem Pass, die in die Türkei auswanderten, gut vervierfacht: von etwa 1200 auf rund 4600. Die Türkei ist nach Polen mittlerweile das zweitwichtigste Auswanderungsziel für Deutsche. Wie viele Fachkräfte und Akademiker darunter sind, erfasst die Statistik nicht, doch ist bekannt, erklärt Sezer, dass gut ausgebildete junge Menschen besonders mobil und motiviert sind. Demnach dürften auch viele Fachkräfte dem Land den Rücken kehren.

„Hinzu kommt, dass die Türkei einen großen Bedarf an Akademikern hat und gute Berufsaussichten bietet“, so Sezer. Dies allein könne aber nicht ausschlaggebend sein, ergab die TASD-Studie, da auch in Deutschland die Berufschancen für Fachleute nach wie vor recht gut sind. Für eine Ausreise spielten daher wohl auch emotionale Gründe eine große Rolle.