Münster.
Im Landgericht Münster wird der Dreifachmord auf einem Coesfelder Campingplatz verhandelt. Der 34-jährige Angeklagte soll im vergangenen Sommer seine Exfreundin und ihre Eltern erstochen haben.
Es schneit schon wieder im Münsterland, ein traurig-trüber Tag, und unwillkürlich werden die Bilder wieder wach vom vergangenen Sommer: der blaue Himmel, die Sonne, die Gärten, in denen die Menschen feierten in einer der letzten lauen Nächte im August. Was wohl aus dem weißen Ferienhäuschen geworden ist? Aus dieser Geranien-Idylle in Lette bei Coesfeld hinter der Knöterichhecke, wo auf dem Campingplatz „Lönsquelle“ in der Nacht auf den 23. drei Leben ausgelöscht wurden. Drei Menschen, 86 Messerstiche: ein Ehepaar, 55 und 53, und seine 29-jährige Tochter. Sie kamen aus Gelsenkirchen, es kamen ja alle aus dem Ruhrgebiet hierher, die deshalb an jenem Sonntag in den Türen ihrer Lauben standen und es nicht mit ansehen konnten, aber auch nicht lassen.
Kein Lebenszeichen
Die Fortsetzung dieser Geschichte spielt nun hier, Landgericht Münster, im nasskalten Februar. Geblieben von der Familie ist der Ex-Freund der jungen Frau, der Vater ihres Kindes, es müsste jetzt 16 Monate alt sein. Alexander Sch. ist angeklagt des dreifachen Mordes, „er kam, um zu töten“, trägt die Staatsanwältin vor, morgens gegen drei soll er in das Wochenendhaus eingedrungen sein, habe die Insassen „vollkommen überrascht“. Lunge, Leber, Herz, Hals hat er getroffen, mit 27 Wunden konnte sich die ältere Frau noch zum Nachbarn retten. Doch vor Gericht erzählen Polizisten und Sanitäter immer dieselbe Geschichte: Wie sie tasteten nach Lebenszeichen, „aber da war nichts mehr“.
„Groß und kräftig“, erinnert sich einer, so habe jener Nachbar hektisch den Mann beschrieben, der versucht hatte, auch in sein Häuschen vorzudringen, den er mit einer Latte in die Flucht geschlagen haben will. Und tatsächlich, groß und kräftig, das ist er: Alexander Sch., der älter aussieht als 34, mit seiner hohen Stirn. Er kommt mit Strickpullover und Hemd, und als er den Kapuzenpulli vom Kopf zieht, mit dem er sich schützte vor den Kameras, zeigt er ein unbewegliches Gesicht. Der ganze Mann sitzt unbeweglich, die Hände auf dem Tisch gefaltet.
Als Zivilfahnder ihn damals anhielten, kurz nach dem Notruf, hatte er einen Rucksack im Kofferraum: mit Kleidern voller Blut, Sturmhaube, diesem meterlangen Samuraischwert in seiner schwarzen Scheide und mehreren Messern mit Doppelklinge – der Gerichtsdiener hat Mühe, sie auszuwickeln aus dem Packpapier. Heute hat Sch. eine dünne Plastiktüte dabei: Schreibblock und Stift, hin und wieder macht er sich Notizen. Was schreibt er da? Sagen nämlich tut Alexander Sch. nichts.
Das Baby hockte auf dem Ehebett
Er hat nichts gesagt, seit sie ihn festnahmen, noch in der Nähe des Tatorts, jedenfalls kein Wort zum Geschehen. „Ich komme von meiner Freundin“, erklärte er damals den Polizisten – und hatte damit wohl auf schreckliche Weise Recht. Später im Gewahrsam soll er geklagt haben, die Handfesseln seien zu stramm. Seither: Schweigen. Er will auch an den kommenden Verhandlungstagen nichts sagen, nicht einmal zu seiner Person. Nur so viel: Er sei Maler und Lackierer. Dieser Prozess wird wohl ein reiner Indizienprozess werden.
Während sich das Gericht daran macht, die Beweise zusammenzutragen, blättert der Kölner äußerlich ungerührt in einer Mappe mit Tatortfotos. Was sieht er da? Die blutverschmierten Holzpaneele der Parzelle B17? Die Nummernschildchen der Spurensicherung in den Rabatten? Die schmale Terrasse, auf der die Großmutter seines Kindes starb und über die sich die Zeugen gerade den Kopf zerbrechen: War sie wirklich so schmal, dass die Tür nicht aufging hinter der Leiche?
Wahrscheinlich enthält das Heft auch Bilder der Toten. Der Angeklagte lässt sich nichts anmerken, reagiert auch nicht, als die Anwesenden über die einzige Überlebende reden: sein Baby. Auf dem Ehebett habe es gehockt, erzählt eine Polizistin, mit Schnuller, Schnuffeltuch und „großen Augen“, ganz still. „Es saß da und schaute mich an.“
Die Mordkommission berichtete damals gleich nach der Tat von Auseinandersetzungen zwischen Vater und Mutter, um Sorgerecht und Unterhalt soll es gegangen sein. Ob sie das Motiv waren, werden alle Indizien nicht klären können.